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Kategorie: Lektüren

carl sternheim :: 1913

wer hat kapitalien gehaeuft, monopolisiert und unablaessig fusioniert? wer hat immer neue millionen aus der vorstellung gestampft, die jetzt verzinst werden sollen? womit um gottes willen? unsere generation hat den industriestaat fertig von euch uebernommen und lehnt fuer seine basis alle verantwortlichkeit weit von sich ab.

(carl sternheim: aus dem buergerlichen heldenleben. 1913. luchterhand 1963, s 285)

mehr zu sternheims stueck „1913“:
… kurze beschreibung und textauszug
… „Sternheim liefert eine Satire auf Adel, Liebe und Familie und uebt scharfe Kritik am Hochkapitalismus. Das Stueck wurde von der Zensur verboten und durfte erst nach dem Ersten Weltkrieg und dem damit einhergehenden Zusammenbruch des Kaiserreiches aufgefuehrt werden.“ (felix bloch erben)
… eine schmale seite zu carl sternheim (leider mit uralten. oftmals ungueltigen links!). aber es gibt dort einen ausschnitt kampf der metapher. durch den wir ueberhaupt auf sternheim gestossen sind:

Deutsche Welt, die in Worten lebt, von denen jedes, falsch gebildet, an allem Heutigen in phantastischer Weise vorbeigreift, gilt es vom Keller aus neu aufzubauen. Das heisst: nicht mit des Zeitgenossen Sprache macht er sich ueber dessen Unarten und Allzumenschliches lustig, sondern gibt aus der Notwendigkeit der Stunde allem Wort neuen heutigen Sinn, dass der Mensch, Kaufmann, Journalist und Soldat, der es noch in alter Weise weiterspricht, auf einmal unerhoert altmodisch und komisch ist, man ihn ueberholt und im Bratenrock von anno dazumal sieht. Dass er und seine Moral, Ideale, Urteile und hehrsten Ziele wie in Anfuehrungsstrichen daherkommen. Sie ueberhaupt noch zu begreifen, nimmt man sie bilderbogenhaft historisch.

(carl sternheim: kampf der metapher (ausschnitt – erstmals erschienen im berliner tageblatt 1917). in: vermischte schriften. aufbau-verlag 1965, s 14)

alles sehr modern. wie wir finden 🙂

zello :: der nasenformer

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„zello“ der nasenformer, in: die woche, nr. 6, 1918; eine weitere anzeige dieses aussergewoehnlichen schoenheitsinstruments (zahnspangen sind nichts dagegen!); nicht zu vergessen den stirnwurzelglaetter. 🙂

die losen enden des kanons ::

In der deutschen Literatur haben die Sammler, die Buchhalter, die Kanonisten gegenwaertig eine grosse Zeit. Wir wollen offen lassen, ob wir das als gutes oder schlechtes Zeichen zu werten haben. Wahrscheinlich gilt „sowohl als auch“, das Leben ist nun einmal eine Mischung aus Chancen und Risiken. In Schwellenzeiten wird diese Melange besonders brisant und beschaeftigt Intellekt und Gemuet. Belassen wir es also dabei: Es ist Schwellenzeit. Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur ordnen sich neu. Da ist es gut, zu wissen, auf was man sicher bauen kann. (literatur-inventur – eckhard fuhr, welt 22.10.03)

das ist sie also wieder die „schwellenzeit“. in der kanonmechanismen noch besser greifen. interessant auch der hinweis fuhrs auf den „bruch“ zwischen den autoren-generationen: die 60-jaehrigen. die noch ueber ein „ende“ von literatur/roman/form disputierten (wohlgemerkt offiziell nur die. die im literarischen kolloquium wahrgenommen wurden) auf der einen seite und die 40-jaehrigen wie etwa niemann. die sich diese fragen nicht (mehr) stellen. auf der anderen.

Frueher sass man im Literarischen Kolloquium und diskutierte naechtelang ueber das Ende des Romans und hielt Enzensbergers „Verhoer von Havanna“ fuer zukunftsweisend. Frueher hing man Erich Fried an den Lippen. Was macht es, dass Leit-Texte der sechziger und siebziger Jahre zu Staub zerfallen sind? Und was bleibt? Die 60-Jaehrigen, die Krueger und Naumann, haben solche Fragen. Die 40-Jaehrigen, die Niemann und Rathgeb, haben diese Frage nicht, und das ist die Antwort. (literatur-inventur – eckhard fuhr, welt 22.10.03)

a. wie kommt fuhr gerade darauf. dass niemann sich solche fragen nicht stellt. vielleicht nicht gerade diese formbezogenen fragestellungen wie „enden“ des romans. aber niemann ist gerade das. einer der „engagiertesten“. was die medial-politisierte diskussion von bruechen im literaturbetrieb betrifft.

b. ist die frage der „enden“ auch bei dem von ihm erwaehnten 60er enzensberger niemals getrennt von politischen fragestellungen gestellt worden.

??!!?? 🙂

flash blogging

… trends ueberholen sich ja immer gerne selbst :: nach flash mobbing hat nun flash blogging die weblogsszene erreicht.

Flash blogging involves a large number of people visiting a particular weblog and posting comments in the site’s feedback section. (flash blogging hits the net)

… initiator des flash blogging ist clear blue sky. der naechste termin fuer eine flash blogging session der 23.10..

… ueber weitere trends informiert jivha – the tongue: so ist bereits flash flogging oder flash hogging im gange und flash hugging (ploetzliches, unerwartetes oeffentliches umarmen) zu erwarten.

schulschwaenzer und die fussfessel

Innenpolitiker von CDU und CSU haben sich dafuer ausgesprochen, kriminelle Schulschwaenzer kuenftig mit der so genannten elektronischen Fussfessel zu ueberwachen. (Unions-Politiker fuer Fussfessel fuer Schulschwaenzer)

warum erst beim schulschwaenzer anfangen! wir wuenschen uns schueler. die sich nicht von der stelle ruehren! – es ist immer wieder interessant. was politiker oder ganze politische lager so von sich geben duerfen. kann man da keine sammelklage einbringen – als schueler? 😉

confessions of a blog artist – nick piombino

Paradoxically, the business-as-usual activity of everyday literary life, which includes constant and never-ending contention, leads more and more to poets writing in very similar styles. The paradox is, it seems to me, that the more poets experience contention from one another, the more their work tends to become alike. In the heterodox world of blogging, much variation and idiosyncrasy can be encouraged or at least tolerated, because the atmosphere while occasionally containing conflict is mostly one of writers following and responding to each other’s blogs with interest, and also becoming more interested in reading each other’s non-blogged literary objects and the works being read. (nick piombino: Confessions of a Blog Artist)

… nick piombinos weblogfait accompli
… aktuelles interview mit piombino im magazin sidereality

im uebrigen ist die blogger szene der englischsprachigen experimentellen literatur beinahe uferlos. aber trotzdem (es gibt immer abstriche) eine sehr interessante bewegung. (via cassandra pages)

hang’ it higher :: rin ins museum

… sie wollen wieder rein – die bilder. ins museum. auch wenn gefordert wird. „die grenzen der institution museum sollten ueberschritten. dekonstruiert oder sogar schlichtweg aufgeloest werden“ (boris groys: das museum im zeitalter der medien. in: boris groys: topologie der kunst, hanser 2003). und auch graffiti bilder wollen da rein. ins museum. scheint ja einfach zu sein. ein bild im tate museum illegal aufzuhaengen. (graffiti kuenstler banksy auf seinem weg. ein bild im tate illegal aufzuhaengen…) 😉

The artist then took his framed painting out of a bag, a rural scene which had an image of police tape stencilled on to it, and stuck it on the wall unchallenged. A card next to it read: „Banksy 1975. Crimewatch UK Has Ruined The Countryside For All Of Us. 2003. Oil On Canvas.“ (Graffiti artist sneaks his work into Tate)

mehr zu graffiti kuenstler banksy:
… http://www.banksy.co.uk/
… banksy tour of bristol
… banksy exhibition
… there is all this noise
Something to spray – portrait des guardian
existencilism
banksy’s weblog????
lying to the policy is never wrong

via cronaca

suhrkamp ist der kreml

Suhrkamp ist der Kreml unter den deutschen Verlagen: ein Machtzentrum, dessen Macht umso groesser wirkt, je weniger man von den Vorgaengen drinnen weiss, ein Schloss, das um den glaesernen Sarg eines grossen Fuehrers errichtet ist. So wie einst mehr oder minder informierte Kremlologen fragten, wer bei der Oktoberparade wo auf dem Mausoleum stehen durfte, so fragten mehr oder minder informierte Suhrkampologen auf der Buchmesse, wer bei der Gedenkveranstaltung fuer den verstorbenen Verleger Siegfried Unseld warum auf die Rednertribuene trat oder nicht. (christian esch: die parade, berliner zeitung – 18. oktober 2003)

wie passend zum schwerpunkt der frankfurter buchmesse. geht’s nicht noch ne nummer kleiner 😉

reversing vandalism :: eselsohren mal anders

… die seite wertzateria ist an sich schon besuchenswert. wir empfehlen aber das projekt „REVERSING VANDALISM – MAP“. das aus dem verunstalteten buch „gay life“ eine interessante neue collage generiert:

The book was called Gay Life. Opening it up and seeing the cut pages was like holding a dead thing : here lies is a body of information that is lost forever. The book was basic information for queers living in New York City: how to find a lover, how to take care of your appearance, how to act in a gay bar, what to do if you’ve been abused by a lover. I drew another body for the book, replaced some words that had been cut out and added a few others, and gave it back to the pages. (REVERSING VANDALISM – MAP)

(via cheesedip)