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Kategorie: Lektüren

chick-lit :: sunny and silly

Chick lit keeps on clicking
Pity the female writer who tries to break the moul – anne kingston – national post (kanada)

sehr schoen beginnt der artikel. der pamela anderson als „pneumatic actress“ einfuehrt. die einen zwei millionen vertrag abgeschlossen hat fuer zwei noch nicht verfertigte erzaehlungen.

„sunny and silly“ – so bezeichnet anderson ihre texte. so sehen auch verleger gerne die „chick-lit“ (you know this „bridget jones’s diary thing alonge) – ein gaeniger haushaltbegriff mittlerweile. wie anne kingston so schoen spitz formuliert:

Pity the young female writer who wants to explore women’s experience with any texture, depth or complexity. A decade ago, authors such as Kathy Acker, Susan Minot and Pam Houston didn’t have to worry their work would be reduced to a generic marketing slogan that also can be a putdown. Now the market calls for simplistic narratives that are both sunny and silly, and are ripe for movie adaptation. Clearly, it’s time to kill the term chick lit, and the sooner the better.

giller preis :: von instant-seller zum bestseller

Ten years of the Giller – murray whyte (toronto star)

eine einladung zum abendessen auf der preisverleihung des „giller“ (kanada) ist die beste literarische eintrittskarte in kanada.

zum 10 jaehrigen jubilaeum des „giller“ preises wird die verleihung zur besten prime time auf cbc und ganz regulaer im „Book TV“ uebertragen: der „giller“ macht buecher einfach „sexy“. wie diane davy – praesidentin von kex porter books – schwadroniert.

ganz im gegenteil zu der studie „preise, erfolg und aesthetische qualtiaet in der kunst” (s.a. hier). die keinen nennenswerten aufstieg von preistraegern des „booker“ preises konstatiert. ist der „giller“ ein garant fuer das aufruecken in die bestsellerlisten – vom „instant-seller“ zum best-seller.

die hardcover kultur duempelte in kanada vor dem „giller“ eher ruhig vor sich hin – manche hatten schon angst. sie wuerde gaenzlich verschwinden. 10 jahre „giller“ preiskultur haben das kanadische hardcover in den mainstream katapultiert und endlich die literatur zum massenkulturellen thema gemacht. das buch ins fernsehen gebracht (oh heidenreich hoert man hierzulande immer oefter schnaufen! wie fein! ;-))

MTV :: the day the music died

ein interessanter artikel/sichweise auf die rolle von MTV…

The world is the way it is because of MTV. The world is pop. It all happened at some point in the 1960s, or the 1970s, or the 1980s. Plenty of magazines argue about when exactly this point was (these magazines are published because of MTV). But it was not until the revolution began to be televised in the early 1980s, as something called MTV, that everyone began to appreciate how much the world had gone pop.

The day the music died

juroren sind weniger als propheten

judging the booker – christopher shea – boston globe

einer juengsten studie zufolge sind juroren aesthetischer wettbewerbe – so victor ginsburgh – wenig dazu geeignet. kunst fuer die zukunft auszuwaehlen, vor allem keine „bedeutende“.

in seinem artikel „preise, erfolg und aesthetische qualtiaet in der kunst“ (journal of economic perspectives) vergleicht er die juryergebnisse u.a. des „booker“ preises und diversen filmpreisen auf ihre „dauerhaftigkeit“.

die „dauerhaftigkeit“ oder zaehlebigkeit im betrieb wird von ginsburgh daran gemessen, z.b. wieviele buecher der preistraeger abgesetzt hat, wieviele neuauflagen etc.. er geht von der nicht eben unueblichen annahme aus. literarische qualitaet laesst sich am verkauf gegenmessen.

so haben etliche der „booker“ preistraeger nur eine auflage erlebt und sind mittlerweile „out of print“. fuer den filmpreis bereich laesst sich die kurve nach oben eher festmachen; vor allem waren „akademische“ juryzusammensetzungen eher „prophetisch“ in ihren urteilen.

amazon als messinstrument

neue suchtechniken scheinen ja stets auch die spielerische ader zu reizen. amazon sucht tiefer und bietet eine volltextsuche.

schon sehen die einen endlich ihren lokalen buecherregalbestand kostenlos digitalisiert und jederzeit kopierbereit adressierbar (the best search idea since google). sehen die anderen endlich die moeglichkeit. rankings noch besser statistisch abzufedern: wer wird am haeufigsten in buechern zitiert etwa (amazon re-ranks intellectuals).

damit laesst sich quasi aus dem stand und gratis ein wohlfeiles instrument fuer intellektuelle betriebsfelder feilen. bourdieu wuerde sich die haende reiben. 🙂

chapman brueder :: don’t feed the hand you bite

die chapman brueder – dieses jahr fuer den turner preis nominiert – beissen in die hand, die sie fuettern soll (offenbar. wie der guardian so schoen formuliert. ist das vorherige kritisieren einer institution. die einen praemieren soll. ein tabubruch: „Now the Chapman brothers have broken another taboo by biting the hand that feeds them.“)

The architecture has been produced so that you get this huge concussive effect as you walk down the ramp. You feel very small in the face of the magnitude of this cathedral. It sends messages for miles: this is important, this is a sacred place, everything in here is sacred. Things that are sacred aren’t questioned, and that’s the problem.‘ (jake chapman ueber das tate museum)

jake chapman kritisiert das tate museum als ein „monument von absoluter kultureller saturiertheit“ und die saatchi galerien als „aushaengeschild einer einmannfirma“. der turner preis weise nicht in die zukunft, sondern wuerde nur den kleinsten gemeinsamen nenner (im sinne einer beherrschung des kunstbetriebes) widerspiegeln.

It’s just simply an expression of one man’s ownership. The best strategy would be to put every single piece of art that Charles Saatchi owns in, so you don’t get this sense that you are supposed to try and see one thing separate from another. I think it should be completely like a junk shop.‘ (jake chapman ueber saatchi)

die von saatchi abgelabelten „young british artists“ (vor allem damian hirst und tracy emin) seien nur ein teil des kults um beruehmtheit(en), sie benutzten kunst als „symptom ihres egos“.

saatchi hat jeden kommentar abgelehnt. ein sprecher des tate museums weicht aus: kuenstler seien fuer den turner preis nominiert worden aufgrund ihrer arbeiten, weniger fuer ihre aussagen in den medien.

Shock art turns on the Tate – guardian (via artsjournal)

turner preis wird 20

der britische „turner preis“ – der kunstpreis in grossbritannien – wird 20 jahre alt. der guardian bietet nun einen ueberblick aller gewinner und nominierten aus 20 jahren…

As we celebrate 20 years of Britain’s most infamous art prize, the Tate, Guardian and Channel 4 have joined forces to find your favourite Turner prize nominee over the past two decades. Below are images of each year’s winning artist’s work, but you have every single nominee to choose from – follow the links to find more examples of their work, on the Tate’s dedicated website.

die literarische landschaft ist mit preisen vollgestopft

Two other quick comments. In a literary landscape cluttered with prizes, it seems insane to propose yet more prizes. Still, it would be nice to see a separate prize, offered with all the publicity of the Giller, to short story collections. It would also be nice to see a prize for best work of Canadian French language fiction translated into English. The literature of francophone Quebec is the great absence at the Gillers.

(Literary culture can’t do without prizes – PHILIP MARCHAND, toronto star, ca)

marchand macht darauf aufmerksam. dass der noch relativ junge „giller literatur preis“ (kanada) nicht nennenswerte neue, gute autoren hervorgebracht hat. entweder sind die autoren schnell wieder in vergessenheit geraten oder sie waren schon bekannt wie margret atwood. aber die jury haette es nicht „allzu schlecht gemacht“. ueberhaupt kaeme der literarische betrieb ohne preise nicht mehr wirklich aus. als erklaerung fuehrt er das fernsehen an, das mit seiner hybridisierung verschiedener medien das buch „broadcastet“ (er bezieht sich dabei wieder mal explizit auf mcluhan).

der fernsehkritiker tritt an die stelle des autors

wenn sich ein literaturkritiker mal zeit und zeilen nimmt. dann wirds meisthin auch interessant. helmut boettiger hat sich zeit genommen und einen versuch gemacht. den literaturbetrieb als verpackungsindustrie zu analysieren: „die verpackungs-industrie. wenn ein schriftsteller heute erfolg haben will, muss er mit den medien spielen. es ist ein spiel mit dem feuer.“ (tagesspiegel, 14.09.2003)

vorab sei gesagt – ohne gleich schubladen aufzumachen – der text haelt was er verspricht. er zieht das ganze register. leert alle moeglichen schubladen aus. laesst dabei aber leider einiges locker liegen und wie immer bei scharfen ritten. geht er mitunter mit einer zu flapsigen geste zuwenig ins diskursive detail. was boettiger anderen vorwirft – die trendige verwendung von begriffen. holt ihn selbst ein.

gleich zu beginn des artikel stutzt man: boettiger setzt an die stelle des autors den fernsehkritiker als wichtigste instanz fuer die vermittlung von buch und literatur. fuehrt aber im naechsten satz als beispiel benjamin von stuckrad-barre an. als „aufhebung des autors durch starkult und pop“ und schliesst dann mit der mcluhan formel „das medium ist die botschaft„.

? die erste folgerung schliesst nicht selbsttaetig von fernsehkritiker auf autor + starkult
? die mittlerweile – meisthin nicht wirklich nachgeschlagene – verwendung von mcluhan wirkt wie eine pattstellung

danach folgt eine folgerichtige darstellung der literaturpraesentation als event, party, dj-irgendwie. boettiger spricht vom subtext der literatur, einem „text mit anderen raendern“ – wir wuerden es mit genette schlicht paratext nennen.

? eine laxe zuspitzung findet sich in der verwendung des begriffs „avantgarde“: protagonisten von literaturevents sind fuer boettiger gleich zu setzen mit „avantgardisten“. fuer die text und auftritt deckungsgleich seien.

in der eventkultur von literatur sei diese „wieder auf der hoehe der rezeption“ angelangt. also dort wo literatur oder jedes medium angefangen hat: in den cabarets, rummelplaetzen und in den einschlaegigen medien. (insofern waere historisch gesehen das medium literatur nun in den anfaengen des mediums films angekommen – aber auch avantgarde-bewegungen haben ja immer die verbindung von kunst/literatur und leben eingefordert; etwa die verbindung von kabarett und dada – wobei die verbindung in diesem fall das bewusste verlassen des „offiziellen“ literatur- und kunstbetriebs darstellt; in einer abgespeckten version gilt das sicherlich auch fuer die anfaenge der popliteratur in deutschland.). Weiterlesen „der fernsehkritiker tritt an die stelle des autors“

pufferzone :: kunstbetrieb

diskursiver nachhall zum triumphbogen von gelatine in salzburg – aus einer vorort quelle: dem salzburger kunstfehler:

Innerhalb des konventionellen Kunstbetriebs verpufft (nahezu) jede Provokation folgenlos. Wenn die Kunst einmal die gemeinhin auch als Museen bekannten Sicherheitsverwahranstalten verlaesst, also im oeffentlichen Raum platziert wird, scheinen Eingriffe auf politischer Ebene immerhin moeglich. Vorausgesetzt die Funktion dieser oeffentlichen Kunst besteht nicht bloss in einer niedlichen Verzierung oder Moeblierung des urbanen Umfeldes. Nicht in jedem Fall darf den in diesem Feld operierenden Kuenstlern Beihilfe zur „Aufwertung“ der staedtischen Lebensraeume im Sinne der Maechtigen unterstellt werden. Unterschiedliche Formen symbolischer Politik beruehren seit gut zwei Jahrzehnten immer wieder die Kunstdiskurse.

(doc holliday – artisten, tabus, aktionen)

Genau das, die radikale Abwesenheit von Geheimnissen und sublimen Details, ist aber typisch fuer Pornographie. Der eigentliche Skandal (Hussleins „Anschlag auf die Kunst“) ist das „leere“ Kunstwerk vor dem Rupertinum (ein nach Umberto Eco „offenes Kunstwerk“ haette zumindest mit den barocken Hellbrunner Wasserspielen geliebaeugelt) sowie Sexisten, die sich ueber angebliche Pornographie beschweren. Die Ironie liegt dabei freilich darin, dass der (ab)spritzende Triumphbogen eine klassische Maennerphantasie (Selbstbefruchtung) darstellt. Aber wer denkt schon soweit – oder an Kenneth Angers Gay Cinema-Phantasmagorie „Eaux d’Artefice“?

(didi neidhart – Die wahren Skandale sind andere)