dadasophin.de

Kategorie: Lektüren

buergerin – stell zuhause aus!

wir gehen mittlerweile dazu ueber. ungenutzte flaechen in unserem buero umzuwidmen. die austellung „3 pinguine mit hund: communicate long“ findet derzeit auf unserem monitor statt. hier 2 schlappschuesse von der eroeffnung. 🙂

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fantomas nr. 4

heute im postfach :: das oder der neue fantomas // soziale klassen, soziale kaempfe. sofort gelesen und in der rubrik „weiter recherchieren“ abgelegt: „im rausch von ordnung und disziplin. stehkragenproletarier, soldaten der arbeit und pavlov’sche hunde“ von moe hierlmeier. nicht nur weil der artikel mit einem walter benjamin zitat beginnt. 🙂

stichworte: geschichte der sozialdemokratie und ihr hang zu ordnung und disziplin, dass revolutionen nicht immer sauber sind und dass der stehkragenpoletarier als leitfigur der sozialdemokratie der figur des „neuen menschen“ im parteikommunismus nicht unaehnlich ist. gastev – pavlov – taylor.

aber auch die online verfuegbaren artikel „klasse arbeit (editorial)“, „der postmoderne fuerst“ und „nostalgie oder diskretes geheimnis?“ unbedingt anlesen! 🙂

kunzuru verweigert llewellyn rhys preis

abgesehen von der schier unglaublichen anzahl von literaturpreisen gibt es zumindest noch ablehnungen aus politischen gruenden. in diesem fall bezieht sich die ablehnung des autors hari kunzru auf die politische berichterstattung der sponsoren des preises (Mail on Sunday):

Along with its sister paper the Daily Mail, the Mail on Sunday has consistently pursued an editorial policy of vilifying and demonising refugees and asylum-seekers . . . As the child of an immigrant I am only too aware of the poisonous effect of the Mail’s editorial line. The atmosphere of prejudice it fosters translates into violence and I have no wish to profit from it.

bookseller (via confessions of a idiosyncratic mind)

musil im schlaraffenland

sehr interessanter artikel ueber die philologischen versaeumnisse bei musils „mann ohne eigenschaften“ und die inangriffnahme einer leserinnenfreundlichen (digitalen) edition:

Sinnlos respektiert wurde zudem Musils Gewohnheit, in seinen Manuskripten die Namen abzukuerzen und grafische Zeichen zu seinem persoenlichen Gebrauch zu verwenden (> = >). Deshalb stolpert der Leser auf den letzten 800 Seiten des Buches ueber solche typografische Perlen: >

franz haas: Musil im Schlaraffenland, NZZ 8.11.03

Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven

der ihr eigentlich gebuehrt. so wurde sie zwar immer schon als „mutter des new york dada“ bezeichnet, was aber irgendwie nach weiblicher rollenzuteilung klingt – und das tut es auch. in der rezension „Die Mutter von New York Dada Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven“ (NZZ) von juergen braeunlein wird zwar versucht. von baroness elsa ein einigermassen interessantes profil zu erstellen. sie entkommt jedoch nicht den geschlechtsspezifischen zuweisungen. die fast alle dada- und avantgardekuenstlerinnen erfahren haben.

in the historicizing and mythologoizing trajectory of the Dada logos, several „origins of the word“ implicate female gendering in which the signification of the female is ultimately a „wet-nurse“ whose primary biological and aestetic functions are as the male artists‘ muse.

sawelson-gorse, naomi (hg.): women in dada. MIT 1998, vorwort

die rezeption von baroness elsa ist zum einen um den „musen“-begriff situiert (vor allem gilt sie als muse des „erz-dadaisten“ duchamp, dabei ist es durchaus umgekehrt richtig). obwohl sie – wie braunlein richtig anmerkt – die einzige frau neben hannah hoech ist. die als dadaistin heute noch rezipiert wird. ist diese einordnung mit einem kanonisierten vorzeichen zu versehen. der kanon von dadaistinnen war und ist schmal besetzt (da haben auch sammelbaende wenig geaendert).

dass braeunlein jedoch das bild der muse als „getriebene der libido“ bedient. passt dann leider nur zu gut in das kanonisierte bild von avantgarde-kuenstlerinnen (vgl. die rezeption von mina loy). durch wenige publikationen wird mittlerweile der innovative und performative (gender-)aspekt von dadaistischen aktionistinnen betont (schliesslich ist ja auch duchamps transgendering nicht zu uebersehen).

Um die aeussersten Grenzen von Avantgarde-Performance zu finden, muessen wir nicht nach vorne, sondern zurueckschauen. Wenn es um bahnbrechende Kunst und um das Spiel mit den Geschlechtern geht, finden heutige Kuenstler kein gewagteres Beispiel als die lange vergessene Baroness Elsa. (Marina Abramovic)

bei baroness elsa kommt hinzu. dass sie durch ihre durchaus sexuell konnotierten aktionen als „verrueckt“ deklariert wurde (heute wuerde man das punk nennen). es mag so sein. dass sie einen gewissen „hang“ zur verrueckung von realien hatte. aber als erklaerungsmuster fuer kuenstlerinnen ist der diskurs der „verruecktheit“ nur zu bekannt (vgl. dazu etwa die sammelbaende „wahnsinnsfrauen“. in denen dieser diskurs nicht unter einem individualisierenden. sondern ideologiekritischen standpunkt verhandelt wird, etwa „der wahnsinn als reaktion auf patriarchalische strukturen“). Weiterlesen „Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven“

es zieht im boulevard ::

herr thierse hat einen standpunkt zur repraesentation von politik im spiegel der medien. denn ein standpunkt dient nur bedingt der unterhaltung. auch meisthin nicht wesentlich zum unterhalt. aber ein standpunkt ist erarbeitet. setzt sich auseinander mit. ein resultat einer meinungsbildung. die wiederum setzt wissen. muehe (oha!) und zeit voraus. wenn der intendant des hessischen rundfunks die „quote als indikator demokratischer meinungsbildung“ bezeichnet. dann ist es wirklich an der zeit. sich mit begriffen genauer auseinander zu setzen: eine genauere definition von meinungsbildung hat thierse ja bereits geliefert. bleibt nur noch die frage der demokratie zu klaeren. 🙂

aber wie soll man sich ueber derart „primaere“ begriffe wie „demokratie“ unterhalten. wenn herr thierse fuer seinen standpunkt gleich in den keller mit ulbricht geschickt wird (vgl. die unsaeglich launige zimtspalte zur rede von renée zucker – fr). sobald jemand heute einen standpunkt hat. wird ihm gleich blanke orthodoxie vorgeworfen. kein wunder. wenn schon journalisten der titel des 8. mainzer mediendisputs „auf dem boulevard der oeffentlichkeit – was kostet uns die meinungsfreiheit“ zu „schwerfaellig“ (tagesspiegel) ist. was ist noch zu machen. wenn weisse schimmel auf sich selbst verweisen. zumindest hat man den eindruck. dass paul sahner von der bunten. nur auf sich selbst verweisen kann. wenn er seinem publikum zuspricht. dass es nicht nur an politik und kultur. sondern eben auch an „bunten themen“ interessiert ist.

„der christiansen-effekt“ (fr) – wie christina heinen argumentiert – hat auch vor den selbstinszenierungen der teilnehmerinnen des disputs nicht halt gemacht. die streitgespraeche des mainzer disputs wurden derart ausgewaehlt. dass sich eine vorhersehbare polarisierung der kontrahenten ueber den eigentlichen inhalt des gespraechs schieben konnte. diese fortsetzung von boulevardisierung in der veranstaltung selbst wurde bis auf den einsatz von klaudia brunst nicht kommentiert. die verdraengung der eigentlichen inhalte oder des anlasses durch emotionalisierung und persoenliche rivalitaeten hat selbst in dieser „metaveranstaltung“ stattgefunden.

weitere informationen dazu:
boulevardisierung, soft news und agenad setting in der unterhaltungsoeffentlichkeit
… DEFINITION ODER INTUITION? Die Konstrukte INFORMATION & UNTERHALTUNG in der empirischen Kommunikationsforschung
kommunikation in talkshows – drei genres im vergleich
Amerikanisierung der Politik durch die Medien?
wo fangen die gemeinheiten an? oder: das entstehen forcierender massnahmen im gespraech am beispiel der j.b. kerner show (leider kostenpflichtig :-()
I talk, therefor I am – Die kommunikationssoziolgisch relevanten Elemente Image, Realitaet, Wirkung in Talkshows der Typen Konfro und Confessio

wir sind detektive :: spuernase benjamin

image wir sind detektive. mindestens in diesem sinn ist der kunstwerk-aufsatz von benjamin zu lesen: als entspannter darsteller der ratio schweift der detektiv „in dem leerraum zwischen den figuren“(1) – er argumentiert und recherchiert an den grenzen des legalen betriebs. dieses „eigensinnige suchen in bereichen verborgener wirklichkeit“ (2) kennzeichnet nicht nur benjamins detektivische arbeit. auch an uns geht sie nie ganz spurlos vorbei. wir sind aber noch dabei. uns auf die hoehe des“emanzipatorischen minimums“ (2 – also das bereits herausgearbeitete). das nicht unterschritten werden darf. zu bringen. ganz im gegenzug zu lounge electronique. die bereits auf der hoehe der benjaminrezeption argumentieren.

also – wir versammeln uns wieder in der hotelhalle und beobachten: ganz aus dem blickwinkel. wie benjamin das buero in den 20er jahren sieht – „das chefzimmer starrt vor waffen“. (3). benjamin koepft das „arsenal des komforts“ und macht die „cachierte“ seite von telekommunikation sichtbar. es geht nicht darum. ob der „kunstwerk-aufsatz“ heute noch aktuell ist. ob die „ruckartige“ bewegung seiner argumentation heute noch jene betriebs-migraene. die mitarbeiter beim staendigen telefonklingeln in einem buero in den 20ern befiel. hervorruft (4). es kann nicht darum gehen. ob die thesen von benjamin sich auf weitere medien(um-)brueche anwenden lassen.

sigrid weigel hat in einem sehr guten aufsaz „techne und aisthesis photo- und kinematographischer bilder – die geburt von benjamins theorie optischer medien aus dem detail“(5) genau auf dieses leider weitverbreitete missverhaeltnis der benjaminrezeption in den medienwissenschaften hingewiesen: benjamin werde als garant fast 1:1 fuer heutige verhaeltnisse adaptiert. was jedoch an der eigentlichen arbeit von benjamin vorbeifuehrt. wichtiger als abgleiche von theorie mit aktuellen verhaeltnissen zu machen. ist die „art und weise, wie benjamin mit technischen phaenomenen und zaesuren der mediengeschichte“ umgegangen ist. aufzunehmen. (6) medientheorie ist fuer benjamin niemals abgekoppelt von mediengeschichte denkbar (vielfaeltige spuren finden sich in anderen ansaetzen wie zur geschichte der photographie, aber auch – wie eben von uns anzitiert, in miniaturen wie „buerobedarf“ – die auf den „kriegerischen“ anspruch von telekommunikation hinweist (der vernetzte bueroraum als „klassisches“ kriegsdispositiv – bei fassbinders „welt am draht“ fungiert nicht umsonst ein ueberdimensionales rotes telefon als symbol fuer die staendige „verfuegbarkeit des taktischen sachzwangs“)). Weiterlesen „wir sind detektive :: spuernase benjamin“

next 5 minutes :: reader online

die musslektuere fuer die naechste zeit in sachen taktische medientheorie ist der reader (pdf, 142 seiten) des festivals of tactical media next 5 minutes (1,5 MB)