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wir sind detektive :: spuernase benjamin

image wir sind detektive. mindestens in diesem sinn ist der kunstwerk-aufsatz von benjamin zu lesen: als entspannter darsteller der ratio schweift der detektiv „in dem leerraum zwischen den figuren“(1) – er argumentiert und recherchiert an den grenzen des legalen betriebs. dieses „eigensinnige suchen in bereichen verborgener wirklichkeit“ (2) kennzeichnet nicht nur benjamins detektivische arbeit. auch an uns geht sie nie ganz spurlos vorbei. wir sind aber noch dabei. uns auf die hoehe des“emanzipatorischen minimums“ (2 – also das bereits herausgearbeitete). das nicht unterschritten werden darf. zu bringen. ganz im gegenzug zu lounge electronique. die bereits auf der hoehe der benjaminrezeption argumentieren.

also – wir versammeln uns wieder in der hotelhalle und beobachten: ganz aus dem blickwinkel. wie benjamin das buero in den 20er jahren sieht – „das chefzimmer starrt vor waffen“. (3). benjamin koepft das „arsenal des komforts“ und macht die „cachierte“ seite von telekommunikation sichtbar. es geht nicht darum. ob der „kunstwerk-aufsatz“ heute noch aktuell ist. ob die „ruckartige“ bewegung seiner argumentation heute noch jene betriebs-migraene. die mitarbeiter beim staendigen telefonklingeln in einem buero in den 20ern befiel. hervorruft (4). es kann nicht darum gehen. ob die thesen von benjamin sich auf weitere medien(um-)brueche anwenden lassen.

sigrid weigel hat in einem sehr guten aufsaz „techne und aisthesis photo- und kinematographischer bilder – die geburt von benjamins theorie optischer medien aus dem detail“(5) genau auf dieses leider weitverbreitete missverhaeltnis der benjaminrezeption in den medienwissenschaften hingewiesen: benjamin werde als garant fast 1:1 fuer heutige verhaeltnisse adaptiert. was jedoch an der eigentlichen arbeit von benjamin vorbeifuehrt. wichtiger als abgleiche von theorie mit aktuellen verhaeltnissen zu machen. ist die „art und weise, wie benjamin mit technischen phaenomenen und zaesuren der mediengeschichte“ umgegangen ist. aufzunehmen. (6) medientheorie ist fuer benjamin niemals abgekoppelt von mediengeschichte denkbar (vielfaeltige spuren finden sich in anderen ansaetzen wie zur geschichte der photographie, aber auch – wie eben von uns anzitiert, in miniaturen wie „buerobedarf“ – die auf den „kriegerischen“ anspruch von telekommunikation hinweist (der vernetzte bueroraum als „klassisches“ kriegsdispositiv – bei fassbinders „welt am draht“ fungiert nicht umsonst ein ueberdimensionales rotes telefon als symbol fuer die staendige „verfuegbarkeit des taktischen sachzwangs“)).

benjamins argumentation verlaeuft an der „schwierigen“ grenze zwischen den standards und deren detailgetreuen verzerrung – aehnlich der arbeit eines detektivs. der aus einer summe von details auf die standards zu schliessen hat. an der grenze der telekommunikativen standards laeuft auch die frage nach der kunst und deren enden. benjamin stellt gerade nicht die die frage. ob photographie oder film kunst sein koennen (die kunst-debatten haengen sich ja stets an das jeweils aktuelleste medium an). sondern wie sich durch neue medien (in benjamins fall: durch photographie und film) wahrnehmung und das verstaendnis von betrieblichen standards (z.b. in der kunst) aendern. das argumentieren an der grenze von betrieblichen standards hat immer mit einer absage an fragen zu form vs. inhalt oder den kunststatus zu tun (hier schliesst sich die frage von avantgarden in kuenstlerischen feldern an. vgl. das „stufenmodell“ von bourdieu, das auf die rolle der medien untersucht werden sollte. (7)

benjamins arbeiten kennzeichnen sich durch das einbeziehen von scheinbar nicht kompatiblen „wissens-schneisen“, von „wertlosen“ details aus. gerade deshalb wird der aufsatz immer wieder gelesen. weil er eine absage an den herkoemmlichen wissensbetrieb darstellt und trotzdem eine argumentative stringenz bereitstellt, wenn auch eine detektivische. oder um es ein wenig mit svevoscher eleganz zu sagen: um unserem hang zum detektivischen auf die spur zu kommen. unterziehen wir diesen hang einer staendigen historischen analyse. (8)

(1) kracauer, siegfried: der detektiv-roman. suhrkamp 1979
(2) negt, oskar/kluge, alexander: geschichte und eigensinn. bd. 1 suhrkamp 1993; darin vor allem rolle und funktion von theoriearbeit
(3) benjamin, walter: buerobedarf. in: benjamin, walter: medienaesthetische schriften. suhrkamp 2002 , s 116
(4) ebda., s 116
(5) weigel, sigrid: techne und aisthesis photo- und kinematographischer bilder – die geburt von benjamins theorie optischer medien aus dem detail, 2003
http://www.iwbg.uni-duesseldorf.de/Pdf/Weigel11.pdf
(6) ebda., s 2
(7) vgl. bourdieu, pierre: die regeln der kunst. suhrkamp 1999, vor allem die genese von avantgardisichen stroemungen und enklaven (kapselungen) im (kuenstlerischen) feld
(8) dem protagonisten in italo svevos text „zenos gewissen“ wird von seinem analytiker empfohlen. seinen hang zum rauchen historisch nachzugehen. vgl. svevo, italo: zenos gewissen. zweitausendeins, 2003, s 12

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