der ihr eigentlich gebuehrt. so wurde sie zwar immer schon als „mutter des new york dada“ bezeichnet, was aber irgendwie nach weiblicher rollenzuteilung klingt – und das tut es auch. in der rezension „Die Mutter von New York Dada Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven“ (NZZ) von juergen braeunlein wird zwar versucht. von baroness elsa ein einigermassen interessantes profil zu erstellen. sie entkommt jedoch nicht den geschlechtsspezifischen zuweisungen. die fast alle dada- und avantgardekuenstlerinnen erfahren haben.
in the historicizing and mythologoizing trajectory of the Dada logos, several „origins of the word“ implicate female gendering in which the signification of the female is ultimately a „wet-nurse“ whose primary biological and aestetic functions are as the male artists‘ muse.
sawelson-gorse, naomi (hg.): women in dada. MIT 1998, vorwort
die rezeption von baroness elsa ist zum einen um den „musen“-begriff situiert (vor allem gilt sie als muse des „erz-dadaisten“ duchamp, dabei ist es durchaus umgekehrt richtig). obwohl sie – wie braunlein richtig anmerkt – die einzige frau neben hannah hoech ist. die als dadaistin heute noch rezipiert wird. ist diese einordnung mit einem kanonisierten vorzeichen zu versehen. der kanon von dadaistinnen war und ist schmal besetzt (da haben auch sammelbaende wenig geaendert).
dass braeunlein jedoch das bild der muse als „getriebene der libido“ bedient. passt dann leider nur zu gut in das kanonisierte bild von avantgarde-kuenstlerinnen (vgl. die rezeption von mina loy). durch wenige publikationen wird mittlerweile der innovative und performative (gender-)aspekt von dadaistischen aktionistinnen betont (schliesslich ist ja auch duchamps transgendering nicht zu uebersehen).
Um die aeussersten Grenzen von Avantgarde-Performance zu finden, muessen wir nicht nach vorne, sondern zurueckschauen. Wenn es um bahnbrechende Kunst und um das Spiel mit den Geschlechtern geht, finden heutige Kuenstler kein gewagteres Beispiel als die lange vergessene Baroness Elsa. (Marina Abramovic)
bei baroness elsa kommt hinzu. dass sie durch ihre durchaus sexuell konnotierten aktionen als „verrueckt“ deklariert wurde (heute wuerde man das punk nennen). es mag so sein. dass sie einen gewissen „hang“ zur verrueckung von realien hatte. aber als erklaerungsmuster fuer kuenstlerinnen ist der diskurs der „verruecktheit“ nur zu bekannt (vgl. dazu etwa die sammelbaende „wahnsinnsfrauen“. in denen dieser diskurs nicht unter einem individualisierenden. sondern ideologiekritischen standpunkt verhandelt wird, etwa „der wahnsinn als reaktion auf patriarchalische strukturen“).
baroness elsa hat also eine doppelte abwertung erfahren: als muse und wilde rezipiert. wurde sie als verrueckt erklaert. sie hat es u.a. nicht geschafft wie man ray oder picabia. ihre objektkunst einigermassen gut zu verkaufen. sie habe – so amelia jones – die entgrenzung von dada ernst genommen. (jones, amelia: „women“ in dada: elsa, rose, and charlie in: sawelson-gorse, naomi (hg.): women in dada. MIT 1998, s 156 – als pdf)
so gibt es bis dato keine uebersetzungen von baroness elsas texten in erhaeltlicher und gebuendelter form; einzig in sekundaertexten sind englische beispiele zu finden. ebenso ist ihre autobiographie „baroness elsa“ nicht ins deutsche uebersetzt und im englischen schwer zu erhalten. soviel zur spaeten kanonisierung. dabei sind gerade ihre texte unglaublich spannend in ihrer verschraenkung von deutsch und englischen sprachelementen und waeren im aktuellen hype dieses sprachmixes in der (englischsprachigen) experimentellen literatur ganz weit oben. 🙂
Knowledge——character——develop together——depend on each other——each in other.
Organism in profundity constructed sound carries seeds of quality.
Bird flies with two wings that is one wing.
Education ——treasure——wealth——needs preparation——slow gradual advancement. Character foundation——pillar arises——to carry light dome——cupola wisdom——root——stem——flower.
Heaviest weight——giant balances graceful easy——pigmy twists crumbles into splinters.
Travel of mind how to arrive at own architecture.
Excerpts from „Thee I call ‚Hamlet of Wedding-Ring‘: Criticism of William Carlos William’s ‚Kora in Hell‘ and Why. . . Part II – The Little Review, 8 (Autumn 1921)
einige verbindung zu baroness elsa:
… irene gammels buch ueber baroness elsa, nun in deutsch.
… ein feature auf arnet.com
… umfangreiche seite auch mit textauszuegen
… der text A Dozen Cocktails– Please
… ein frueher text (sehr schlecht uebersetzt!)
… ueber elsas fruehe arbeit am theater
… das kapitel ueber baroness elsa in der autobiographie von william carlos williams