Geert Lovink Versuch einer medientheoretischen und philosophischen Analyse des Phänomens Bloggen ist ehrenhaft, aber nur ansatzweise gelungen. Sicherlich gibt es durchaus gute Ansätze, aber, wie auch ein Kommentar zu der Ankündigung seines Textes „Digitale Nihilisten“ ganz klar formuliert, scheitert der Text an mindestens zwei Punkten:
- Weblogs werden zu allgemein gefasst, anstatt sie in entsprechende Genres einzuteilen.
- Daß Lovink das genau im Laufe des Textes dennoch tut, indem er sich auf zwei spezielle „Genres“ des Bloggens versteift – nämlich das journalistische und tagebuchhafte – macht das Problem noch deutlicher. Er fokussiert nur auf Bloggen als Selbstdarstellung (Tagebuch) und auf das quasi-journalistische (Kritik der Mainstream-Medien).
Dabei beginnt Lovink vielversprechend analytisch und medienhistorisch; situiert Weblogs als Nachfolger der Homepagewelle der 90er und sieht sie daher als ein Ergebnis der Massifizierung.
Überfällig ist sein Ausgangspunkt, daß es unabdingbar ist, kritische Kategorien einer Theorie des Bloggens zu entwickeln, „die die spezifische Mischung aus Technologie, Schnittstellendesign und Software-Architektur berücksichtigen“ (S 94).
Richtig daran ist, dass bei der Analyse des Bloggens meisthin nicht auf die Softwarearchitektur dahinter abgehoben wird, sondern nur auf den Community-Aspekt und das potentielle interaktive Moment. Falsch daran ist, Bloggen und Blogs als quasi verkehrte, verhinderte PR-Agenten zu betrachten. Letzterem Verständnis entspricht auch Lovinks Gegenüberstellung von Mailinglisten, die eher dem brieflichen und essayistischen Stil zusprechen, und Blogs, die PR-Techniken nutzen.
Das größte Problem mit Lovinks Text ist jedoch, daß er keine seiner Grundannahmen durchhält. Obwohl er Blogs für PR-Technik hält, ist ihm die andauernde Debatte um den Vergleich mit dem Journalismus auch nicht richtig gewählt und versucht dies zu widerlegen. Er markiert zum einen eine historische Verschiebung von Code zu Content (Homepage zu Blog), und zum anderen spricht er dem Bloggen eine neue Form des Schreibens ab (wie auch immer die zu definieren wäre) und sieht darin eine digitale Erweiterung oraler Traditionen. Der Text verliert sich in selbstgewählten Wiedersprüchen, die im Argumentationsverlauf dann ungünstig schwammig werden.
Die vielleicht interessanteste These des Textes ist das nihilistische und/oder zynische Grundmoment des Bloggens, der Romantizismus mit offenen Augen. Hier knüpft er auch unter anderem an eigene philosophische Konzepte an und versucht eine Art medienkritischen Überbau für das Bloggen zu entwerfen, der schon eher überzeugen könnte (Dazu mehr in Teil 2). 🙂
Es mag sein, dass Bloggen nicht aus einer Bewegung entstanden ist, aber es bestenfalls als Spezialeffekt einer Software zu bezeichnen, grenzt schon an einen rein technizistischen Ansatz, den Lovink so selbst nicht verfolgen würde. Schließlich wurde Bloggen eine Bewegung und bleibt in Bewegung, natürlich gerade aufgrund einer Softwareentwicklung. 😉
Hallo Sylvia,
ich recherchiere über “Digitale Nihilisten” für mein Studium.
Deine Kritik zum Text ist sehr hilfreich.
Einen zweiten Teil gibt es aber wohl nicht, oder?
Sorry, irgendwie habe ich diesen Kommentar nicht erhalten. Was meinst Du genau, ob Lovink einen 2. Teil verfasst hat. Ich glaube, er hat das in einem aktuellen Buch weiterverfolgt. Da müsste ich aber erst mal nachsehen.