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Wiener Gruppe als Dialektiker

The Fate of Fenella - Titelbild
Quelle: The Fate of Fenella (1891/92) via Wikipedia [1]

Über die Avantgarde [Literatur} lässt sich mitunter auch viel finden, das noch nicht einmal kopfüber verständlicher wird. Auf der Suche nach Informationen zu Friedrich Achleitner und Ingrid Wiener – ergo der Wiener Gruppe – bin ich auf durchaus verquere Inhalts-Schnipsel gestoßen. Weiter machen! – bleibt da nur zu folgern.

Betonung liegt auf der zweiten Silbe

Im Wikipedia-Eintrag zu Achleitner wird gleich die Phonetik klar gemacht – der Name „Achleitner“ wird auf der zweiten Silbe betont und das kommt daher, dass das Wienerische ein ostmittelbairischer Dialekt ist. Da Achleitner eigentlich gebürtig aus Oberösterreich stammt, erst nach der Matura nach Wien ging, darf man die Frage stellen, ob man mit dem Gang nach Wien auch die Aussprache des Nachnamens anpasst? 🙂 Sieht man sich die dialektale Verteilung in Österreich bzw. Oberösterreich an, würde Achleitners Geburtsort Schalchen eher ins Westmittelbairische fallen. Dass sich das Wienerische vom Oberösterreichischen durchaus unterscheidet, lässt sich auch in den Standard-Tests Sprechen Sie Wienerisch und Oberösterreichisch für Anfänger und Fortgeschrittene gut erkennen.

Die Wiener Gruppe mit Dialektdichte

Schon haariger wird es, wenn im Wikipedia-Eintrag zu Achleitner sein Gang zur Wiener Gruppe so eingeleitet wird:

Er wird zur Wiener Gruppe gezählt, die vor allem moderne Dialektgedichte verfasste. 

Friedrich Achleitner, Wikipedia

Versucht man sich im Wikipedia-Eintrag zur Wiener Gruppe noch genauer zum Dialektaspekt zu informieren, bleibt man im nächsten Info-Schnipsel unweigerlich hängen. So führte die Wiener Gruppe 1956 mit einer Nummer der Zeitschrift „alpha“ eine neue Domäne ein: die experimentelle Dialektdichtung. Mit dem Andefinieren von Begriffen endet dann das Wikipedisieren, der Eintrag zur experimentellen Dialektdichtung ist leider noch leer geblieben. Das Problem hier ist auch, dass man als Leserin denken könnte, die Zeitschrift „alpha“ sei eine der Wiener Gruppe.

Die Zeitschrift „alpha“ (1954-1960) war jedoch keine Zeitschrift der Wiener Gruppe, sondern eine österreichische Literaturzeitschrift der 50er Jahre, immer wieder auch mit internationalen Beiträgen. Programmatisch war das eher gängig – alpha wolle „keiner Richtung, keinem Programm dienen, einfach junge europäische Dichtung publizieren“. H.C. Artmann hat bereits in der ersten Nummer der Zeitschrift veröffentlicht. Die Nummer 8 1956 nutzen dann Artmann und Rühm, um einen Teil der Zeitschrift mit einem Dialektschwerpunkt zu füllen.

dass der dialekt in unserem ,täglichen‘ denken und daher auch in unserem unterbewusstsein eine eminente rolle spielt. seine wirklichkeitsnähe und unmittelbarkeit des ausdrucks schliesslich lässt die chance, durch neue gegenüberstellungen der werte eine verfremdung und damit eine neuwertung derselben zu erzielen, besonders hoch erscheinen. so glauben wir, dem dialekt ganz neue seiten abzugewinnen.

rühm, gerhard: DIALEKTDICHTUNG (hier zitiert nach: planetlyrik.de)

Nach einer längeren Pause ist die Zeitschrift „alpha“ 1959 wieder erschienen und die Projekte von Artmann, Rühm und Achleitner wurden für die Zeitschrift nun indiskutabel und die Dialekt-Nummer der Zeitschrift als Missverständnis bezeichnet. (Schlösser, Hermann: Von >> alpha << zu >>ALPHA<<. Eine Wiener Lyrikzeitschrift der fünfziger Jahre – heute gelesen (PDF)).

Fussnoten

  1. The Fate of Fenella ist für 1891 eine weitgehende experimentelle Herangehensweise: 24 Autor*innen – 12 Frauen und 12 Männer – haben einen Gemeinschaftstext produziert. Eine wirkliche Zusammenarbeit gab es nicht. Sobald ein Kapitel fertig war, ging es an den / die nächste*n Autor*in. 1891-1892 im Magazin The Gentlewoman erschienen, liess The Spectator kein gutes Haar am Ergebnis: „The result has been a fairly readable novel, that tells an extremely silly story. The plot is ridiculous.“ [zurück]

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