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archplus öffnet während der Documenta ihre Archive: Text des Tages

Ne nette Idee und viel zum Lesen: archplus und ihre Aktion Text des Tages.

So profitieren auch Nicht-Documenta-Besucher: jeden Tag wird ein neuer Text aus den Archiven der Zeitschrift zum Download freigeschaltet (als PDF Datei). Bis dato findet sich darunter u.a. ein Text von Rem Koolhaas zum Thema Was ist eigentlich aus dem Urbanismus geworden oder von Günther Uhlig einen sehr interessanten Artikel zum Einküchenhaus.

Zaimoglu verehrt einen Dichter

Ich schreibe das hier einfach mal um, weil offenbar doch bei einigen mehr daran hängt, als man gedacht hat. 🙂 Also, wollen wir mal:

Dieser Text dient allein der Dichterverehrung, und doch werde ich keinen einzigen Vers, keinen einzigen Doppelzeiler zitieren, weil ich, der lange Zeit Gedichte nicht ausstehen konnte, es viel weniger ausstehen kann, wenn man die Poesie eines Meisters vorstellt, indem man beispielhafte Schnipsel aufführt. Der Dichter heißt Thomas Kunst, er lebt heute in der Heldenstadt Leipzig und arbeitet seit den 1980ern als sogenannter Bibliothekarischer Mitarbeiter in der Deutschen Bücherei. Das ist keine Schande – schändlich ist allein, dass er von seiner großen Kunst nicht leben kann, er verdient gerade mal so viel Geld, dass er nicht in die Bettelarmut absinken muss.

Quelle: Nieder mit den blassen Quallen der Poesie! (FAZ, 24.06.07)

Warum finde ich diesen Text nicht so gut, wie man ihn wohl andernorts mitunter gerne liest:
Weiterlesen „Zaimoglu verehrt einen Dichter“

Von Arno Schmidt kann man nichts mehr lernen, aha …

Wie schon gesagt, am besten lassen sich Zeitungsartikel lesen, die mit Urteilen über Artikelfernes nicht hinterm Berg halten. So kann man noch ein Interview über Simple Storys und Ingo Schulze lesen.

Kann man und dann findet sich im Artikel Simple Storys auch Aussagekräftiges in Sachen Arno Schmidt:

Man sieht es Ihrer Prosa nicht unbedingt an. Vermutlich ist das gut so, denn von Schmidt kann ein Autor kaum etwas lernen: Die Grenzen zur Epigonalität ist schnell überschritten.

Quelle: Simple Storys. Gespräch mit Ingo Schulze (Konkret, 6/2007)

Da wäre ich ja nie darauf gekommen, das da auch nur irgendeine Rezeptionslinie sich ziehen liesse. Aber bitte, heute ist ja alles möglich. Und von Arno Schmidt zu lernen, wer würde sich das schon trauen (zuzugeben). 😉 Denn die wissen ja alle nicht, was man heute sprachkritisch alles versäumen könnte, was man nachzuholen verpasst hat.

Im übrigen ist Schulzes Handybuch, um das auch mal endlich loszuwerden, ganz ganz langweilig zu lesen. Dieser alten Manier soll sich bloss kein Jungautor jemals epigonenhaft annehmen!

McLuhan: der modische Esoteriker

Interessant, was man in Nachrufen sonst noch für Urteile mitnehmen kann. In Können Bilder schreien macht sich Roger Behrens im Nachruf auf Rudolf Arnheim über McLuhan her:

Ganz entgegen der esoterischen und pseudo­idealistischen Medientheorie, wie sie vor allem verbunden mit dem Namen Marshall McLuhan zur akademischen Mode avancierte, ist Arnheims Forschung der Schlüssel zu einer verdrängten materialistischen Medientheorie

Quelle: Behrens, Roger: Können Bilder schreien (Jungle World, Nr. 25/2007)

Interessant vor allem, weil ich mit McLuhan noch nie mit Esoterik in Verbindung gebracht habe. Man lernt ja nie aus, nicht wahr!

Das Inhaltsverzeichnis als Tag-Cloud

Da darf man gespannt sein auf Carsten Zorn/ Christian Hucks Das Populäre in der Gesellschaft. Systemtheorie und Populärkultur, auch wenn ich kein sonderlicher Luhmann-Leser bin.

Im aktuellen Konkret (6/2007) ist ein interessanter Artikel – Offener Vollzug – von Carsten Zorn zu lesen, der einen Bezug zu Walter Benjamin herstellt (Thema: Kapitalismus als Religion). Wieder was zum Nachlesen, hier im aktuellen Bezug zum Castingfernsehen interpretiert.

Das Inhaltsverzeichnis des erwähnten Buches liest sich dann wie eine Buzzword-Liste oder einer dieser Tag-Clouds:

World of Warcraft – Public Enemy – Dubrovnik-Konferenzen – Skateboards – Jeff Koons – Gesamtkunstwerk – Didaktik – Rainald Goetz – Pamela – Harald Schmidt – Michel Houellebecqe – Gesellschaftskritik – Intellektuelle – Simcity – Clockwork Orange – Du bist Deutschland – Beate Uhse – ästhetische Erziehung …

Quelle: Verlagsinformation VS Verlag

In einer richtigen Tag-Cloud würde man dann ja eine entsprechende Gewichtung ablesen können. Ich warte ja noch immer, bis sich das in Büchern durchsetzt. 😉

TAZ: nun auch Bücher für Randgruppen!

Endlich hat man die Quittung und die TAZ macht es möglich.

Nicht nur, dass sich eine als irgendwie doch noch als alternativ verstehende Zeitung in ihrem neuen Online-Auftritt nun auch dazu verpflichtet fühlt, Kultur oder Feuilleton in die Rubrik Leben zu verbannen. Nicht nur, dass Literatur dann unter die schnittige Unterrubrik Buch subsummiert wird. Nein – wenn man sich darüber hinaus dann noch für Themen wie Kunst und Geld interessieren sollte, dann erhält man noch den schmissigen Untertitel gratis dazu: Bücher für Randgruppen.

Bravo! Da wartet man als Abonnentin nur doch darauf, dass sich das im Printmedium wiederholt!

Update: Auch die Printausgabe schmückt die Rezension mit der Unterrubrik Bücher für Randgruppen.

Lasst den Leser unabgeholt!

Gut ist, wieder einen Versuch von Hubert Winkels zu lesen, der sich mit Rolle und Funktion des Literaturkritikers auseinandersetzt. Bedauernswert, dass das immer so wenig Reaktion auslöst bzw. er nicht häufiger zur argumentativen Feder greift.

In Der Kritiker als dritter Gott greift er nochmal die Unterscheidung zwischen Emphatiker und Gnostiker (Zeit Debatte 2006) auf und stellt einen historischen Zusammenhang her zu den 20er Jahren, insbesondere auf Alfred Kerr bezogen, – unweigerlich gelandet seien wir heute beim emphatischen Kritiker, der den Leser dort läßt, wo er angeblich abgeholt werden soll:

Von allgemeinen Gesetzen im Kunstwerk haben wir längst Abschied genommen, doch sind wir allzu schnell am anderen Ende der Skala angekommen, der Behauptung schierer Subjektivität: Schön ist, worin ich mich selber sehe. Und wo ich bin im Text, dort, lieber Leser, wirst auch Du Dich finden. Das ist Umgehung der Intelligenz mit didaktischem Vorwand: man wolle die Leute doch nur dort abholen, wo sie sind. Ja, wo sind sie denn?

Winkels, Hubert: Der Kritiker als dritter Gott (Welt, 18.06.07)

Haben Sie heute schon gejeut?

Da sollte noch einmal einer sagen, die deutsche Sprache wäre nur heute zu vielen fremden Sprachen ausgesetzt.

In Heinrich Manns Im Schlaraffenland finden sich etliche sprachliche Neuschöpfungen, aus einem Mischmasch aus Deutsch und dem Französischen:

„Wissene was?“ sagte er leise. „Nebenan wird wieder gejeut. Sehense sich das mal an!“

Mann, Heinrich: Im Schlaraffenland. Ein Roman unter feinen Leuten. Fischer 1982, S 82.

Da klingt doch dann gedownloaded richtig schwunghaft. 🙂 Im übrigen ein sehr empfehlenswerter Roman, der das literarische Feld um 1900 in Berlin ganz wunderbar scharf in kritische Szene setzt. Bourdieu hätte seine Freude dran.

Slate Magazin: welche Schrift verwenden Autoren beim Schreiben

Auch eine interessante Umfrage: My Favorite Font (Slate Magazin)

Die Frage zielte auf die jene Schrift, die Autoren beim Arbeiten mit ihren Texten bevorzugt verwenden. Den Pokal trug Courier davon, auch wenn noch andere Schriften genannt wurden. Interessant dabei ist auch, dass etliche Autoren die Verwendung von Courier zum einen damit erklären, dass sie keinen Wert auf Schönheit beim Schreiben legen, und zum anderen, dass sie sie an ihre alte Schreibmaschine erinnert.