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Kategorie: Lektüren

chapman-brueder :: bregenz

Die Arbeit der Chapman-Brüder ist nach Ansicht des Kunsthauses „immer an der Grenze zum Tabubruch. Auf höchst offensive Weise, mit schwarzem Humor und subversivem Witz werfen sie einen Blick auf Themen wie Gewalt, Krieg, Holocaust, Gentechnik und Tod in all ihrer Grausamkeit.“ Zwar wirkten die Arbeiten „auf den ersten Blick aggressiv, skandalös und provokativ“, doch stecke stets ein Konzept mit philosophischem Anspruch dahinter. Jake und Dinos Chapman selbst formulierten als Ziel ihrer Arbeit, „moralische Panik“ zu erzeugen.

Grosse Einzelschau der Chapman-Brüder im Kunsthaus Bregenz (standard, 02.01.05)

… ausstellungsseite im kunsthaus bregenz

das variantenwörterbuch :: des deutschen

Einen Bartwisch etwa kennt man fast überall in Österreich, nicht aber die Handeule. So heißt nämlich in Norddeutschland der Handwischer. Das wiederum ist in der Schweiz gebräuchlich für „kleiner Besen mit feinen, rechtwinklig zum kurzen Griff abstehenden Borsten“, erklärt der Eintrag im Variantenwörterbuch. Damit nicht genug, heißt das Putzutensil in Teilen Deutschlands mal Beserl, mal Kehrwisch, mal Handfeger oder Kehrbesen

Mohrenkopf, Negerkuss, oder: Wer hat die abgesägten Hosen? (tagblatt.de)

mehr zum variantenwörterbuch des deutschen:
… deutsche variationen (berliner morgenpost, 04.01.05)
… rezension idw-online
… Von Frikadellen, Buletten und Hacktätschli (orf, 09.12.04)
… Die vielfältige Bedeutung des Wortes „Wuchtel“ (audio – 1:09 min, orf, 09.12.04)
unter tage (TAZ, 27.12.04)

bestandsaufnahme :: poesie in zeiten der massenproduktion von windeln

nun doch das gesamte 10-punkte-programm von michael lentz zur lage der poesie auf der FAZ online (gestern wohl nicht?!). die bestandsaufnahme ist in vielen bereichen zutreffend. gefaellt sich nur manchmal zu sehr. seis drum.

Was – auf der anderen Seite – wollen die Neukonservativen? Besonders in den jüngeren Jahrgängen herrscht eine Ich-mach-jetzt-mal-eine-Inventur-meines-unmittelbaren-Wohnzimmers-Mentalität, gepaart mit einem sachten Blick über den angrenzenden See. Es herrscht das Stilleben. Melancholie rechtfertigt sich allein schon aus dem Befund, daß die eigene Windel ein Massenprodukt ist. Manche Erzeugnisse lesen sich so, als habe die jüngere und jüngste Generation den Zweiten Weltkrieg selbst erlebt oder als trete man an, die Archive der Großväter zu korrigieren. Die mittlere Generation meißelt wieder in Stein. Sprachlich herrscht Befriedung. Der anvisierte Genus grande, der hochgetriebene Tonfall täuscht Kumpanei mit der Antike vor, kann aber nur mühsam Snobismus kaschieren. Eine hochgekonnte Abwendung vom Hier und Jetzt. Blasebalg und Totenmaske.

Windstille in Dunkelland — michael lentz (FAZ, 03.01.05)

attersee :: schinkenfinger

im museum der moderne in salzburg gabs viel an sammlung zu sehen. weniger zu schmunzeln. vor diesem bild von christian ludwig attersee sind wir jedoch gleich aus dem schmunzeln ins laute lachen verfallen: schinkenfinger (1968)

die netzmetapher :: herdentrieb

Dabei war das vor 15 Jahren noch völlig anders. Da war die Netzmetapher mindestens ambivalent gebraucht, wie Luc Boltanski und Ève Chiapello in ihrer monumentalen Studie „Der neue Geist des Kapitalismus“ in Erinnerung rufen. Das Netz wurde als Metapher für „Zwangsstrukturen benutzt: Aus den Maschen des Netzes gibt es für das Individuum demnach kein Entrinnen.“ Das Netzwerk war gewissermaßen die Gegenvokabel zur Transparenz; immer schwang, wenn von Netzwerken die Rede war, die Bedeutung von Ränkespiel mit.

Herdentrieb ins Netz: Technik als Allegorie sozialer Beziehungen (TAZ, 04.01.05)

steirischer herbst :: ueber die allmaehliche depositionierung

Seine Rolle als Stachel im Fleisch eines von Event und Repräsentation geprägten Zeitgeistes hat der „herbst“ aber zuletzt ebenso verspielt wie seine Kompetenz im öffentlichen Raum. Erst unter akutem Geldmangel leidend, hat man sich 2004 wieder auf das Entdecken junger Talente besonnen. „Der ,steirische herbst‘ hat noch alle Krisen bewältigt. Er schafft es“, meint der Noch-Intendant. Die Zahl jener aber, die Oswald bedingungslos glauben, ist kleiner geworden.

ein kulturflagschiff im trudeln – ueber die (finanziellen) probleme des steirischen herbstes (salzburger nachrichten, 03.01.05)

mayroecker :: heldin der poesie

es ist schoen. wenn sich der lyrisch-experimentelle kanon so einig ist. ohne held und heldin ist eben nicht auszukommen. scheints:

Die deutschsprachige Poesie ist derzeit die international Bedeutsamste. Allein schon Friederike Mayröcker zu nennen genügt. Beweis: Es gibt keine Gegenbeweise

michael lentz ueber die lage der poesie (FAZ, 03.01.05, via Perlentaucher)

pakistan :: die junge frauengeneration

Das wiederum kann man nicht sagen von den Frauen der ganz jungen Generation, die nunmehr in Grossstädten wie Karachi am Samstagabend im geschützten Ambiente der durch und durch westlich gestylten Shopping-Malls zu beobachten sind: Während die westliche Besucherin, züchtig gekleidet im Salwar Kamiz, in einem Musikgeschäft ergriffen der melancholisch altmodischen Stimme der pakistanischen «Nachtigall» Noor Jehan lauscht, wandert wenige Zentimeter weiter ein amerikanisches Video in die Henna-verzierten Hände dreier knapp bekleideter junger Mädchen.

Geliebter Feind – Pakistanisch-indische Grenzverwischungen (NZZ, 03.01.05)

rebellenmarkt :: laclos

Vielleicht hatte Laclos aber auch nur etwas Mitleid mit seinen amoralischen Gestalten, für die es so oder so keine Erlösung geben konnte, und für die das Spiel an sich die Daseinsberechtigung war, nicht dessen Ergebnis. Vielleicht wollte er nicht fortfahren, um keinen unglaubwürdigen Schluss für das dumme, kleine Ding der Volanges erfinden zu müssen – irgendwas mit einer harmonischen, sauberen Ehe.

die entbehrlichen liebschaften (rebellenmarkt)

mag sein. werter donalphons. mitunter sollte man das spiel dann auch spiel sein lassen und daher belaesst laclos es mit der darstellung der spielstrukturen – dem hauptthema der permanenten intrige. schluesse sind da fehl am platze. 😉

im uebrigen verbringen „gefallene“ frauen in romanen gerne ihr restliches leben in irgendeinem entfernten kloster (vgl. frau von clèves bei madame de lafayette):

und so war ihr leben, obschon es nur kurz waehrte, ein beispiel unuebertroffener tugend.

quelle: madame de lafayette: die prinzessin von clèves. insel 1996

perspektive :: goes literaturhaus

Wozu also Häuser, zumal schon genug in der Landschaft stehen? Hoffen Schriftsteller und Literaturagenten, hinter befestigten Mauern besser gegen Subventionsverlust gesichert zu sein als ohne Haus und Hof? Literaturhäuser sind Ausdruck der Angst, weiter Boden zu verlieren, indem sie zumindest ein Grundstück für die gute Sache besetzen. Literaturhäuser okkupieren den Rest an Förderpotential ohne kreative Gegenleistung.

Von grauen Eminenzen und anderen Egomanen – ralf b. korte (gangway #28)

na – dann wollen wir hoffen. dass das grazer literaturhaus durch eine kooperation mit der literaturgruppe perspektive wieder boden gewinnen. 😉