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Kategorie: Lektüren

gewinner und verlierer im literaturbetrieb

[>] ein interessanter aufsatz zur rolle des historischen romans im literaturbetrieb der restaurationszeit: Gewinner und Verlierer – Der Historische Roman und sein Beitrag zum Literatursystem der Restaurationszeit (1815-1848/49). hier findet sich die idealtypische beschreibung eines autors, der im literaturbetrieb der zeit mit seiner arbeit scheitern muss:

Unser Autor ist maennlich und im Koenigreich Preussen um 1800 geboren. Die Wahrscheinlichkeit, dass er gerade mit einem historischen Roman an die Oeffentlichkeit treten wird, ist damit deutlich hoeher als bei Oesterreichern oder Schweizern, doch ueber seine Erfolgschancen sagt dies noch nichts aus. Wichtiger ist da schon seine soziale Herkunft: sein Vater ist Subalternbeamter, er selbst hat sich nach dem vergeblichen Versuch, als Gelehrter an der Universitaet Fuss zu fassen, notgedrungen fuer die Laufbahn eines Lehrers und Erziehers entschieden. Sein Roman-Manuskript, in Nebenstunden entstanden und voll idealistischen, patriotischen und didaktischen Eifers, fuellt gerade ein einbaendiges Werk. Um sich von der Mode der „historischen Romane“ abzuheben und aus Verehrung fuer den grossen Sir Walter Scott gibt er seinem Roman den Untertitel: „historische Novelle“. Aufgrund seiner Unerfahrenheit im Verlagsbereich, er weiss nur, dass er nicht in einem der beruechtigten Sudler-Verlage Basse oder Fuerst erscheinen moechte, uebergibt er sein Manuskript gegen ein geringes Honorar einem befreundeten Buchhaendler, Gelegenheits-Verleger und Winkel-Leihbibliotheksbesitzer in Berlin. Als das Buch schliesslich zur Michaelismesse 1840 in Frankfurt publiziert wird, erkennt es unser Autor nicht mehr wieder: Sein Buch erscheint anonym, unter einem reisserischen Haupttitel, mit betraechtlichen Kuerzungen und in einer Auflage von gerade 250 Stueck. Sein Verleger und „Freund“ pflegt keine Kontakte zu den Redaktionen der grossen ueberregionalen Literaturzeitschriften, das Buch erhaelt keine Rezension. Dementsprechend stagniert der Absatz in den Leihbibliotheken: Gerade 30 Exemplare koennen verkauft werden und auch hier nur nach einem betraechtlichen Preisabschlag. Immer haeufiger hoert unser Autor auch, dass er sich zu spaet fuer die Gattung des historischen Romans entschieden habe, diese sei voellig aus der Mode, einzig „Zeitromane“ wolle jetzt das Publikum. Auch ein letzter Versuch, die restlichen Exemplare in einem „Catolog von im Preis ermaessigten Buechern“ an den Mann zu bringen, scheitert: Nur ein Exemplar wird von Armin Krausz in Veszprém, Besitzer einer kleinen Leihbibliothek am Plattensee, geordert. Nicht verwunderlich, dass unser Autor es bei seinem literarischen Erstling belaesst.

(in: Kurt Habitzel – Guenter Muehlberger: Gewinner und Verlierer – Der Historische Roman und sein Beitrag zum Literatursystem der Restaurationszeit (1815-1848/49))

poesie an jeden hauskragen!

[>] rolf schneider macht uns heute in der berliner morgenpost mit einem gemeinplatz bekannt: Es ist keine Zeit fuer Gedichte. nachzulesen ist dann ein gaenzlich allgemeines sammelsurium zum thema das gedicht und seine schlechte oekonomische haltung. wenig lesenswert. vielleicht sollte man ihm den veranstaltungstip poesiefestival.org zukommen lassen: dort haengt man die lyrik gleich auf immens hohe mauern („homeland“ – 70 meter hohe mauer praesi) – das nennt sich dann artistik und poetik. ebenda wird auch gleich eine neue poetengeneration in der rubrik „lyrik von jetzt“ ausgerufen – ganz nach dem probaten mittel: „die besten“ und „die besten der noch unbekannten namen“ – na wenn das nicht zieht!

[>] da blaettern wir lieber kurz im interview zum aktuellen helikopterbuch von heinrich dubel: „Helikopter Hysterie Zwo“ (rechts auf den Link klicken!). was es nicht allet jibt!

bachmann preissegnungen

[>] heute bzw. morgen beginnt ja wieder das alljaehrliche schaulaufen im literaturbetrieb. da sitzen dann wieder autorinnen wie zitterpappeln vor und nach mikrofonen und hoffen. recht bald in der betriebhaftigkeit haften zu bleiben. manche werden zuviele vertraege mit verlagen abgeschlossen haben (nach dem motto: das ist mit 40 seiten buch nicht zu schaffen). andere werden zuwenig vertraege nach sich herziehen (motto: das buch im glueck muss nicht jeder sehen koennen. aber alle kennen es schon).

irisch radisch gibt ja diesmal den vorsitz und wir hoffen. dass sie sich kaum zu wort melden wird. sie verspricht eine hebung des niveaus durch eine zahlenmaessig aufgestockte jury, dabei glaenzte sie selbst seinerzeit mit aeusserungen wie „also das habe ich jetzt nicht verstanden“. der bachmann betriebsausflug war – wider erwarten – vor jahren noch eine sehenswerte abhandlung in sachen „wie experimentell wollen wir lesen“. heute ist er nur noch die folgerichtige auslegung des anstehenden herbstprogramms – rasierklingen und sprachraeusche sind was fuer den jungen spinter. der noch nicht weiss. wo er seine texte verstauen kann.

ist lesen wirklich so langweilig – fragen wir uns und muessen zugegeben: aber nur. wenn man betriebsfeste aufsucht!

DOKU-tip :: herr schmidt und herr friederich

sonnengefaehrdet zurueck aus dem sueden gleich ein hochaktueller DOKU-tip fuer heute abend: herr schmidt und herr friedemann – MDR 23:35 – 00:45

lief ja vor einiger zeit (im februar!) im kino – sollte aber nun nicht im tv versaeumt werden. mehr infos dazu via kulturnation.

das hausdach als flosse

image[>] einen unverschaemten blick in die zukunft der „mobilen privatisierung“ (pdf) (raymond williams): das hausdach als flosse und der barhocker als schleudersitz: „The Bionic Dolphin, or Variable Attitude Submersible Hydrofoil, VASH is the leading edge of 21st century marine transportation design. The concept is that of an underwater flying machine,,,, fast,,, agile,,, light weight,,, powerful. Yet one of the safest vehicles afloat!“ (the bionic dolphin) – ein sehr schoener linktip von RONGWRONG!

Proverbs of Hell (Dos and Donts) :: brian kim stefans

[>] eine wirklich alternative frische experimentelle brise hat uns heute durch brian kim stefans „Proverbs of Hell (Dos and Donts) (pdf) erreicht: „In seed time learn, in harvest teach, in winter enjoy. In off-hours at work, visit jodi.org for pro-situ distraction and turux.org for preter-semiotic action in game-world real-time. In hotels at conferences on digital poetics, avoid the theorist who would be five minutes past seed time and has reaped five
critical harvests from the postmodern American novel.“ (aus dem journal inflect) – und in diesem ausgefeilten stil geht es seitenlang weiter. wunderbar! 🙂

hypertext :: subversive :: hypertext

[>] kann/soll/muss/darf hypertext subversiver sein als das bestaendige aufploppen von werbefenstern? sehen sie. sie fragen sich das auch. gerade jetzt. in diesem perfiden augenblick des herzlosen inneren zwiebelschaelens: Hypertext as Subversive? von david kolb – schon eine etwas aeltere hypertextversion (sie kennen das. blaue links auf sich veraendernden hintergruenden. hightech eben aus den 90ern!). aber haben wir nicht alle laengst das panoramatische knie? (winkelement richtung alexander kluge…schnack) (via culture machine)

vogging :: who to do

[>] „vogging“ oder video blogging ist ja neben audioblogging gross im kommen. hier schon mal das entsprechende manual bezogen auf die software quicktime (via digital storytelling sedona)

[>] „Learn navigation: Doing without the Narrator in artifactual fiction“ – ein etwas aelterer aufsatz zum thema „artifactual fiction„. texte. die ohne explizite erzaehlerposition auskommen. die leserin setzt sich wie in einem wissenschaftlichen projekt mit einer textsammlung (materialsammlung) auseinander und navigiert selbst durch den text. (vgl. konzepte des reader/writers im hypertext etc.). vgl. dazu etwa: narration in hypertexten setzt sich aehnlich wie in programmiersprachen durch „narrative arrays/artefakte“ zusammen (stuart moulthrop: Misadventure: Future Fiction and the New Networks ). (via hypertext news)

[>] wir zelebrieren hier mal ein wenig geisterstunde: who are the ghosts in the literary machine von mark amerika (hier als movie) – ist zwar nur ein audio extrakt aus seinem projekt „FILMTEXT 2.0“ – aber immerhin. (via hypertext news)