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Hybride Repräsentanz: Thomas Mann im literarischen Feld

Eine tiefergehende Analyse von Thomas Manns Position/ierung im literarischen Feld findet sich in der Tagung „Hybride Repräsentanz. Die Erfindung des Schriftstellers Thomas Mann“ (2005, Literaturhaus München). Dort wurden Themen wie „Strategien der Ruhmesverwaltung“ (Thomas Sprecher), Stilisierungsweisen (Klausnitzer), kunstreligiöser Habitus (Ort), Repräsentationssemantik (Hagestedt) und der Erfolgsautor Thomas Mann (Haefs) verhandelt.

2007 erscheint wohl der Tagungsband im de Gruyter Verlag (Quelle: Veröffentlichungsverzeichnis von Claus-Michael Ort, PDF):

Michael Ansel/Hans-Edwin Friedrich/Gerhard
Lauer (Hrsg.), Hybride Repräsentanz. Die Erfindung des Schriftstellers Thomas Mann. Berlin: de Gruyter 2007.

Thomas Manns Position im literarischen Feld

Was man alles so unter dem Begriff „literarisches Feld“ subsummiert: Unter dem Tagungspunkt „Thomas Mann im literarischen Feld“ (Kolloqium des Kreises der jungen Thomas Mann-Forscher „Thomas Manns kulturelle Zeitgenossenschaft„) findet sich im Grunde nur ein Referat/Statement, dass sich tatsächlich auf das literarische Feld bezieht, Tim Lörkes „Selbstbewußte Konkurrenz: Ein Autor erobert das Feld„.

Aber wer weiss, womöglich beziehen sich die anderen beiden Referenten auch auf diesen Begriff. Die Titel „Thomas Manns Konzept des Epochenromans“ und „Der Roman als Kosmos“ klingen aber nicht gerade danach.

Der Krimileser und seine unglückliche Beziehung zum kulturellen Kapital

Sehr schönes Zitat von Franz Schuh hinsichtlich der Affinität zur Kriminalliteratur. Jetzt endlich begreife ich, warum ich irgendwann begonnen habe, Krimis zu lesen. Wenngleich mich dann gleich beide Muster, die Bourdieu anführt, treffen würden: Mein kulturelles Kapital habe ich einerseits nicht geschafft gänzlich ins schulisches zu überführen und habe mir das meiste auf „illegitimen“ Wege angeeignet:

„Leute“, sagt Bourdieu, die „ihr kulturelles Kapital wesentlich der Schule verdanken“, haben die ausgeprägte Tendenz, „sich der schulmäßigen Definition von Legitimität zu beugen und ihre Investitionen innerhalb der Bereiche ganz strikt nach deren von der Schule zuerkanntem Wert auszurichten. Demgegenüber reizen ,mittlere Künste‘ wie Film und Jazz oder stärker noch wie Comic, Science fiction und Kriminalroman vorrangig jene zum Investieren, denen die Umwandlung ihres kulturellen Kapitals in schulisches nicht gänzlich gelungen ist, daneben solche, die die legitime Kultur nicht auf legitime Weise erworben haben, d. h. nicht von frühauf mit ihr vertraut wurden, und nun zu ihr eine objektiv und/oder subjektiv unglückliche Beziehung haben.“

Quelle: Bourdieu zitiert nach Franz Schuh: Dekadenz schwächt und hält zugleich am Leben. (Der Standard, 20.04.02)

btw: Falls jemand das Zitat an einen konkreten Bourdieu Text festmachen kann, wäre mir gedient. 🙂

UPDATE: Dank Lars ist jetzt die Stelle dingfest gemacht:

Bourdieu, Pierre: Die feinen Unterschiede. Suhrkamp Taschenbuch, S 154.

Begriffe: Zitation

Schon eigens interessant, wie die Wissenschaft sich selbst misst und welches Instrumentarium und Quellgut ihr dazu zur Verfügung steht, hier jedoch erwähnt, weil auf den Zusammenhang von Zitation und Distinktion aufmerksam gemacht wird:

Heinz-von-Foerster-Zitierer dürften eher Radikal-Konstruktivistisches im Sinne haben, Pierre Bourdieus „Feine Unterschiede“ Zitierende eher Distinktionstheoretisches: Denn zitieren heißt loben, Existenz zusprechen. Nur wenige Zitationen sind kritisch. Abzulehnendes wird zumeist „net amol ignoriert“.

Quelle: Wie sich die Wissenschaft selbst misst (Der Standard, 18.12. 99)

Begriffe: Diskurs der Lobpreisung

Walter Grond und Klaus Zeyringer beziehen sich in ihrem Gespräch über Thomas Bernhard auf Bourdieu und weisen auf den Diskurs der Lobpreisung hin, den Bernhards Rezeption und Aktion im literarischen Feld durchzogen hat:

Bernhard fungiert als Hoher Priester in einem Diskurs der Lobpreisung, von dem Bourdieu gemeint hat, dass er der Analyse äußerst abträglich sei. Zudem finden sich durch Bernhards Literatur und ihre Rezeption bestimmte Diskursleisten angespielt und bedient.

Quelle: Reden über Thomas Bernhard (Der Standard, 24.03.01)

Gatekeeper der Literatur: Reihe auf jetzt.de

Eine interessante Reihe zu den Gatekeepern in der Literatur bietet jetzt.de: Es werden zu Arbeitspensum, Literatur und Betrieb Agent (Michael Gaeb, literaturagentur.com), Verleger (Klaus Schöffling, Schöffling & CO), Buchhändler (Annegret Schult, Felix Jug Buchhandlung Hamburg) und Rezensent (Thomas Keul, Volltext) befragt.

Das sind Texte, die zum Beispiel formal sehr anspruchsvoll und komplex sind. In den letzten Jahren hat sich ein realistisches Paradigma entwickelt: Literatur muss realistisch, gut erzählt, episch sein. Ich habe manchmal das Gefühl, dass geschrieben wird, als hätte es die ganze Moderne nicht gegeben. Das Problem ist, dass Texte, die eine moderne Ästhetik vertreten und dadurch auf den ersten Blick etwas unverdaulich sind, es sehr schwer haben, veröffentlicht zu werden. Das ist in den letzten Jahren fast unmöglich geworden. Es gibt da natürlich Ausnahmen, bei Wallstein, bei Liebeskind, beim Tropen Verlag. Das sind Verlage, die so etwas auch mal wagen. Aber eigentlich hat man in den letzten Jahren gesehen, dass die Reihen, die so etwas publizieren, weggekürzt worden sind.

Quelle: Gatekeeper der Literatur (I): Michael Graeb – literaturagentur.com