dadasophin.de

jean paul :: dichten ist wie kaffeekanne – schoen heiss

Dass Jean Paul (er war gute drei Jahre jünger als Schiller) ein bisschen verrückt war oder jedenfalls aus dem üblichen Rahmen fiel, das war schon damals klar, als er urplötzlich aus der hintersten Provinz auftauchte, die lesenden Damen nicht nur mit seinen Romanen entzückte und sie eben doch nur abspeiste und in Weimar Schiller und Goethe ziemlich nervös machte, wenn er ihnen erklärte, was das denn solle mit Musen und Inspiration fürs Dichten, es komme doch bloss darauf an, ordentlich Kaffee zu trinken, und dann wieder für immer verschwand in die „Provinz“ dass er also ein bisschen verrückt war, das war schon damals klar, aber wie verrückt er wirklich war, das lässt sich wirklich erst allmählich ermessen.

Autor der Einsamkeit (zeit, 20.01.05)

schon interessant. wie sich das bild der „verruecktheit“ immer wieder schoen bequem macht – oeffentlich. was soll denn dabei schon „verrueckt“ sein? das jean paul in seiner ueberbordenden schlichtheit auch erfolg hatte. dass er von dem ganzen erfolgsgewohnten literarischen feld der goethezeit sich zurueckzog? dass er frauen mehr ansprach als maenner in literatur und leben? was soll daran bitte verrueckt sein – oder gar das leben in einsamkeit(en)? dieses bild von jean paul wird ja nur zu gerne und einfach immer weiter tradiert – war halt ein wenig verrueckt der jean paul. das laesst sich dann wohl auch schoen auf seine texte umlegen. sind ja auch ein wenig ueberdreht?! nicht wahr!

so ein unsinn. dann sind wir gleich gaenzlich verrueckt. weil wir nicht mal ordentlich kaffee trinken im literarischen feld!

sz-bibliothek :: ein jungs kanon

Für deutschsprachige Schriftstellerinnen sieht die Bilanz der Münchner Zeitungsbibliothek sogar ganz trübe aus: Sie beläuft sich nämlich glatt auf null. Auch an den nächsten sechs Wochenenden, verrät einem schon jetzt die Internetseite freimütig, wird es neben dem üblichen „Jungs-Kanon“ aus Walser, Hesse, Grass und Co. keine Ingeborg Bachmann und keine Anna Seghers geben. Keine Christa Wolf und keine Marie Luise Kaschnitz. Und erst recht nicht die schon erwähnte Elfriede Jelinek, frisch gebackene Literaturnobelpreisträgerin hin oder her. Von ausländischen Schriftstellerinnen, die die Tradition der Moderne massgeblich beeinflusst haben, wie Virginia Woolf, Sylvia Plath oder Simone de Beauvoir, mal ganz zu schweigen.

Klassik ohne Frauen (TAZ, 20.01.05)

die gesellschaft hat sich vor romanen gefuerchtet

Die Gesellschaft hat sich vor Romanen gefürchtet, dann vor dem Fernseher, heute werden Computer verantwortlich für Gewaltbereitschaft gemacht. Die Urgroßelterngeneration hat ganz Europa verwüstet ohne ein einziges Computerspiel.

Erst das Spiel macht uns zu Menschen – die kulturwissenschaftlerin natascha adamowsky im gespraech (welt, 21.01.05)

… publikationen von natascha adamowsky
… digitale kultur im horizont des spiels (pdf)
… was ist ein computerspiel (pdf)
… body snatcher chic (pdf)

der mobile balkon :: mit aussenminister leopold figl

Ein Heer von Historikern arbeitet jetzt an Hunderten patriotischer Aktionen. Bei Grossausstellungen zum Staatsvertrag und zur Gründung der zweiten Republik wird sich das Land seiner ruhmreichen Augenblicke erinnern. Wenn’s wahr ist, gibt es sogar jenen Balkon, auf dem Aussenminister Leopold Figl 1955 den frisch unterzeichneten Staatsvertrag präsentierte, in einer mobilen, durch Österreich tourenden Fassung. Jeder Österreicher kann dann Geschichte spielen und den historischen Satz Figls von der Balustrade rufen: «Österreich ist frei!»

das gedankenjahr (NZZ, 21.01.05)

das ist nicht wahr oder? bitte nein!

soziologie von paris :: adressenkapital

Wie die „Soziologie von Paris“ derzeit aussieht, um die sich der Kommentator von Libération sorgt, davon kann man sich in dem kleinen, gleichnamigen Büchlein von Michel Pinçon und Monique Pinçon-Charlot ein Bild machen. Das Soziologenpaar erforscht seit Jahren die Bevölkerungsstruktur der französischen Hauptstadt, soziale Hierarchien und vor allem das symbolische Kapital von Adressen. Als sie vor einigen Jahren eine Studie über die wohlhabenden Viertel von Paris und ihre Bewohner herausbrachten, hatte das beinahe den Charakter einer Indiskretion. En detail legten sie Mechanismen und Methoden dar, mit deren Hilfe es adligen bis gutbürgerlichen Familien gelingt, sich erfolgreich gegen sozial niedriger gestellte Bevölkerungsgruppen abzuschotten.

Aisé und aidé. Die Musealisierung von Paris (FR, 19.01.05)

… grossbuergertum unter soziologischer lupe – ueber das buch „voyage en grande bourgeoisie“ von pincon/pincon (1997)
… paris. der sehr diskrete charme (rheinischer merkur, 16.09.04) – ueber das buch „dans les baux quartiers“ von pincon/pincon
… Im 16. Arrondissement ist die bürgerliche Welt noch in Ordnung (welt. 12.06.02)
grand fortunes. dynasties and forms of wealth in france (algora)

bruessel :: marcolini

marcolini – chocolatier/bruessel (via kulturnation)

bei marcolini schokolade kaufen ist. wie in einen hippen designershop gehen und immer fest das geldhandtaeschchen unter der achsel. diese laeden haben ja immer auch etwas von einem kleinen tempel. auch schoen – die kasse war dann ganz dezent in einem nebenraum verbannt.

… die londoner boutique (heisst ja auch schon dementsprechend: boutike!)
… marcolini in japan
sweet success: business pierre marcolini
… die agentur nudge. die die pr fuer marcolini macht
… pasen chocolade
… das kleid aus schokolade mit dem modemacher roubi l‘ roubi (chocolate week)
… belgian ice cream forays into ginza – ueber den eisladen in ginza (japan)

… und wer sich fragt. was www.latarterie.be ist

kommt popcorn von pop art?

manchmal ist man richtig froh. nicht mehr ganz so jung zu sein. jedenfalls nicht mehr so jung. fuer die allgegenwaertige party- und kunstdjisierung und das saloppe sprachgestoppel. das das junge. scheue zuschauerwild auf die kunstweide treiben soll:

Hopper – adé! Neu installierte, größte Pop Art Sammlung außerhalb der USA – hello! Was befindet sich in den „Brillo Boxes“ von Andy Warhol? Was macht macht Marilyn und Jackie O. glamourös? Kommt Pop Art von Popcorn?
Ihr kennt die Antwort nicht? Dann besucht uns am 28. Januar 2005 zur Jungen Nacht!
Um 20.00 Uhr öffnen wir die Türen für alle interessierten und neugierigen Besucher. In lockeren Gesprächen mit jungen Kunstexperten erhaltet Ihr Antworten auf Eure Fragen zu Künstlern und Kunstwerken im gesamten Museum.

aus dem newsletter der kunstdialoge.de (junge initiative im museum ludwig – koeln)

es geht um dinge. die dich umgeben. wie eine tapete

Die Sendung „The Desk“, die er auch international vermarkten will, habe die globale Medienlandschaft im Fokus, erklärt Brûlé: „Fernsehen, Magazine, Zeitungen. Die guten und die bösen Seiten des Journalismus.“ Brûlés großer Erfolg scheint paradoxerweise durch die Schüsse in Afghanistan begründet worden zu sein. Wieder in London verbrachte der in Kanada geborene Brûlé die Rekonvaleszenzzeit im Krankenbett damit, seinen Ideen freien Lauf zu lassen. Schon immer war der junge Mann versessen auf edle, schöne Dinge. Architektur, Design, Mode und Freizeit waren die Themen, die ihn faszinierten. So entstand die Style-Bibel der späten 1990er Jahre: das Wallpaper*-Magazin. Der Name erkläre sich von selbst, sagt Brûlé: „Es geht um Dinge, die dich umgeben wie eine Tapete, ein ,Wallpaper‘ eben.“

ich habe da ideen (presse, 17.01.05)

… zur sendung „the desk“ in der bbc
the desk comes to bbc four
Getting Information First is One of the Biggest Luxuries of All (i want media)
… die stilbluete (welt am sonntag, 02.01.05)
… new bbc media show (martinstabe.com)

die zeit des palaestinensertuches ist vorbei

Wahlen in Palästina.“ Allein dieser Satz lässt Hoffung sprießen. Der Wahlausgang in Palästina markiert auch eine ästhetische Wende. Keine Uniform mehr, sondern Anzug. Die Zeit des Palästinensertuches ist vorbei. Abbas sieht eher aus wie ein bescheidener Beamter und selbst wenn er die Parolen vom heiligen Krieg gegen die Israelis benutzt, so tut er dies mit einem Lächeln. Auf israelischer Seite tun die einen das als Wahlkampfpose ab, während die anderen achselzuckend darauf verweisen, dass sich hier nie etwas ändern wird.

Paradies der Zyniker (FR, 17.01.05)

halle :: abriss. umnutzung. aufforstung

Fast ein Drittel seiner Bevölkerung hat Halle seit dem Ende der DDR verloren. Die Chemiewerke von Leuna und Buna – auf modernste Technologie umgerüstet – kommen heute mit einem Zehntel an Arbeitskräften aus. Halles Arbeitslosenquote liegt bei über zwanzig Prozent. Die De-Industrialisierung führte zur Abwanderung Arbeitssuchender nach Westen; sechzig Prozent der Einwohnerverluste allerdings gehen aufs Konto der Suburbanisierung: Sie sind Wegzüge ins Umland, zum Teil unterstützt durch eine (mittlerweile als übereilt erkannte) Förderung des Baus von Eigenheimen, womit man einem sehnlichen, in der DDR unerfüllten Wunsch nachkam.

Schrumpfen muss nicht nur schrecklich sein (NZZ, 17.01.05)