dadasophin.de

ard :: sommerfrische 1920

wahrscheinlich findet es ja 90% der deutschen bevoelkerung schade. dass es heute keine so wunderbar grossen und abgelegenen landsitze mehr gibt. in denen man durch die bank bedient wird und dabei auch noch nach unten treten kann. abenteuer 1900 hat uns das ja waermstens ans herz gelegt. natuerlich haben wir alle das herz am richtigen fleck und spaehen mitunter die treppe auch mal hinunter – eh klar. passt schon.

jetzt legt die ard ein paar jahre drauf und macht die sommerfrische noch ein wenig knalliger: sommerfrischler auf einem landhaus in den 20er jahren. dabei verbinden wir die 20er wohl eher mit der grosstadt. nunja – da war es dann eher mit rausfahren auf picknick und weniger mit schon draussen sitzen auf dem permanenten-standes-picknick:

Sie können Charleston tanzen und Bubikopf tragen, Tennis spielen und Picknicken am See. Sie können in die Welt der Dienstboten eintauchen, kochen, chauffieren und die Vorbereitungen treffen für das große Fest: Eine Hochzeit auf dem Lande, mit allem Drum und Dran. (…) Bewerben Sie sich für eine Zeitreise in die 20er Jahre – als Hausherr, Sommergast, Hochzeitspaar oder als Dienstbote.

infoseite der ard (mit allen bewerbungsformularen – entscheiden sie sich noch heute ob hausherr oder chauffeur – sie haben den bewerbungsleitfaden in der hand! waehlen sie richtig!)

oesterreich :: und der heimat-begriff

oesterreicher sprechen ueber ihre geschichte immer so charmant daneben. dass man schon fast glauben moechte. sie meinen es auch so. 😉 dass geschichte – nicht nur die eigene – in oesterreich eher was fuer die intimitaet eines beichtstuhls ist. wuerden wir schon vermuten. dass die geschichtlichkeit von begriffen dann auch noch ins metaphorische fettnaepfchen befoerdert wird. ist nicht neu. aber nervt allmaelich ziemlich. wir wuerden schon lange nicht mehr von tendenz sprechen. das hat schon alltagssprachliche methode:

Der Heimat-Begriff war ja bis lange nach dem Krieg angepatzt. Heute kommt er wieder. Das hängt mit der Globalisierung zusammen. Die jetzige Devise lautet: Je regionaler desto besser. Also: Ein Buch über Niederösterreich, nein. Ein Buch über das Waldviertel, ja. Und das verkauft sich auch.

verleger christian brandstaetter im gespraech (die presse, 27.12.04)

jelinek :: FM4 doppelzimmer

wers gerne persoenlich mag. der kanns jetzt auch mit elfriede jelinek haben. elisabeth scharang fuehrt auf FM4 (livestream) ein „persoenliches“ gespraech mit ihr morgen (01.01.05 – 13-15 uhr):

Jelinek erzählt u. a. über ihre Kindheit mit einem SP-nahen Vater und einer bürgerlichen Mutter (rote Zopfschleifen zum Maiaufmarsch, weiße zum sonntäglichen Kirchgang), ihr Medizinstudium („Wahrscheinlich hatte ich ein Helfersyndrom“) und Erfahrungen mit dem Besticken von Hippiejäckchen mit Perlen und dem Schreiben aus Langeweile.elfriede jelinek im doppelzimmer (die presse, 31.12.04)

charlie holt sich den bart :: gertrud koch

Es sieht so aus, als habe Chaplin seine Signatur auf Hitler gebrannt. Die Diskrepanz zwischen einer einzelnen Person und einer totalitären Erweiterung von Macht bis zur völligen Vernichtung ist in sich grotesk. Ein Verhältnis eines Einzelnen zur Macht, das praktisch geworden war und auf viele als Träger dieser Macht angewiesen war. Will man Hitler darstellen, dann muss man sich mit dem Bild befassen, das er von sich zu geben so bemüht war; die Folgen dieses Verhältnisses sind freilich weitaus erschreckender als die Person, die sie nach eigenen Plänen eingerichtet hat. Deswegen sind alle Hitlerfilme auf die eine oder andere Weise Farcen. Ihre Qualität zeigt sich daran, ob sie wenigstens das an Hitler verstanden haben.

Charlie holt sich den Bart – gertrud koch (TAZ, 30.12.04)

junge mitte :: richard wagner

es ist ja nicht immer so. dass schriftsteller auch journalistische und/oder essayistische texte schreiben sollten (manchen wuerde man zu gerne davon abraten. man belaesst es jedoch bei dem ach. wenn schon). weniger – oder besser immer weniger – kann man wirklich gute. weil zugleich analytisch und poetisch auf dem punkt gebrachte texte von schriftstellerinnen in zeitungen lesen. eine dieser wenigen ausnahmen heute: junge mitte von richard wagner (FR, 30.12.04):

Als Harald Schmidt aus der Südsee heimkehrte, sah er aus wie Gauguin ohne Bilder. Alle machten sich Gedanken über sein Aussehen, nach den Bildern aber fragte keiner. Sucht man nach einem Grundsatz für den Erfolg in unserer Gesellschaft, so trifft man in der unmittelbaren Nachbarschaft des viel beschworenen Jugendkults auf die Geschäftstüchtigkeit, mit der das Ego sich ins Rampenlicht zu rücken versteht.

selbstverliebtheit vs. selbstachtung

Bei Blei hatte die Selbstverliebtheit schon lange der Selbstachtung Platz gemacht.

Wiener Kindheit (berliner zeitung, 27.12.04)

es geht ja nichts ueber eine schmale rezensionierung und dann auch noch eingekasperte werturteile anbringen – gratulation. das macht uns franz blei gegenueber walter benjamin unglaublich sympathisch! 😉