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mayroecker :: heldin der poesie

es ist schoen. wenn sich der lyrisch-experimentelle kanon so einig ist. ohne held und heldin ist eben nicht auszukommen. scheints:

Die deutschsprachige Poesie ist derzeit die international Bedeutsamste. Allein schon Friederike Mayröcker zu nennen genügt. Beweis: Es gibt keine Gegenbeweise

michael lentz ueber die lage der poesie (FAZ, 03.01.05, via Perlentaucher)

pakistan :: die junge frauengeneration

Das wiederum kann man nicht sagen von den Frauen der ganz jungen Generation, die nunmehr in Grossstädten wie Karachi am Samstagabend im geschützten Ambiente der durch und durch westlich gestylten Shopping-Malls zu beobachten sind: Während die westliche Besucherin, züchtig gekleidet im Salwar Kamiz, in einem Musikgeschäft ergriffen der melancholisch altmodischen Stimme der pakistanischen «Nachtigall» Noor Jehan lauscht, wandert wenige Zentimeter weiter ein amerikanisches Video in die Henna-verzierten Hände dreier knapp bekleideter junger Mädchen.

Geliebter Feind – Pakistanisch-indische Grenzverwischungen (NZZ, 03.01.05)

rebellenmarkt :: laclos

Vielleicht hatte Laclos aber auch nur etwas Mitleid mit seinen amoralischen Gestalten, für die es so oder so keine Erlösung geben konnte, und für die das Spiel an sich die Daseinsberechtigung war, nicht dessen Ergebnis. Vielleicht wollte er nicht fortfahren, um keinen unglaubwürdigen Schluss für das dumme, kleine Ding der Volanges erfinden zu müssen – irgendwas mit einer harmonischen, sauberen Ehe.

die entbehrlichen liebschaften (rebellenmarkt)

mag sein. werter donalphons. mitunter sollte man das spiel dann auch spiel sein lassen und daher belaesst laclos es mit der darstellung der spielstrukturen – dem hauptthema der permanenten intrige. schluesse sind da fehl am platze. 😉

im uebrigen verbringen „gefallene“ frauen in romanen gerne ihr restliches leben in irgendeinem entfernten kloster (vgl. frau von clèves bei madame de lafayette):

und so war ihr leben, obschon es nur kurz waehrte, ein beispiel unuebertroffener tugend.

quelle: madame de lafayette: die prinzessin von clèves. insel 1996

perspektive :: goes literaturhaus

Wozu also Häuser, zumal schon genug in der Landschaft stehen? Hoffen Schriftsteller und Literaturagenten, hinter befestigten Mauern besser gegen Subventionsverlust gesichert zu sein als ohne Haus und Hof? Literaturhäuser sind Ausdruck der Angst, weiter Boden zu verlieren, indem sie zumindest ein Grundstück für die gute Sache besetzen. Literaturhäuser okkupieren den Rest an Förderpotential ohne kreative Gegenleistung.

Von grauen Eminenzen und anderen Egomanen – ralf b. korte (gangway #28)

na – dann wollen wir hoffen. dass das grazer literaturhaus durch eine kooperation mit der literaturgruppe perspektive wieder boden gewinnen. 😉

fm dj :: [reading reise durch die nacht]

man wird ja nicht mehr informiert – als ex-perspektive mitglied – nun. es ist eben immer so. was der fall sein wird. aber es ist wohl nun erschienen das textprojekt zu friederike mayroeckers „reise durch die nacht“ – von ralf b. korte und elisabeth hödl (aisthesis verlag 2004): FM dj [reading reise durch die nacht“> und wir finden. es lohnt sich. die 16,80 euro einzusetzen:

Friederike Mayröckers Reise durch die Nacht reportiert nicht allein eine Zugfahrt zwischen Wien & Paris, der Text stellt auch eine Relektüre von Derridas la carte postale zur Verfügung, die die spezifischen Schreibarbeitsbedingungen der Autorin sichtbar macht. Der Versuch, dieses für zeitgenössische Literatur archetypische Spannungsverhältnis zu rekonstruieren, mündet nicht zufällig in eine literarische Form, die den fragmentarischen Charakter jeden modernen Blicks auf die Zustände der Schrift allenfalls zu dokumentieren vermag: im Austausch von e-mails konstituiert sich eine Leseerfahrung, die en passant 2 Friederike Mayröcker (fm) & Jacques Derrida (jd-dj) im besten Sinn aufhebende Schreibweisen zu generieren beginnt.

aus der verlagsbeschreibung

… ein auszug (pdf)

„dieses angst haben vor unglücken in einem solchen Nachtzug, der durch eine unbeleuchtete Gegend rast, das imaginieren möglicher katastrophen, dem das ich von fm sich überlassen hat vor dem lernerfolg der frankreichreise, jederzeit an jedem Ort Schlaf zu finden, das hat mein Körper gelernt noch vor dem Verstand, schreibt fm in das reiseprojekt beim rückblick auf aussicht zum lauten im fremden, und ein oder zwei Daunenkissen führe ich immer mit auf Reisen… wolfgang schivelbusch erwägt 1977 dass es sich lohne „über den begriffsgeschichtlichen Zusammenhang von Unfall, Krise und Neurose nachzudenken““

(auszug aus FM dj)

die re-poetisierung :: der avantgarde

Wenn dem Werk Priessnitz‘ in den „differentialen Interpretationen“ unterstellt wird, in kritischer Absetzbewegung zur – jetzt so schlagwortartig subsumierten – Avantgarde eben deren Anliegen re-poetisiert zu haben, so hat dies auch eine entscheidende Modifikation hinsichtlich des der Avantgarde (und Neo-Avantgarde) immer wieder nachgesagten Scheiterns, Kunst in Leben zu überführen, zur Folge. Denn nicht um eine Transgression des Systems Kunst  kann es einem so universalen (und nicht auf die Thematik „Avantgarde“ einschränkbaren) dichterischen Ansatz wie dem im Werk Priessnitz‘ gehen, sondern umgekehrt um ein Aufgehen und Aufgehoben-Werden des „Kosmos“ in der Dichtung.

Monographie Priessnitz – thomas eder

wir wuerden ja meinen. dass sich priessnitz gegen diesen ansatz einer re-poetisierung wehren wuerde. die repoetisierung des avantgarde-ansatzes hat er dezidiert in tribut an die tradition (1975) kritisiert. aber thomas eder wirds schon genauer wissen. womoeglich sehen wir nicht das „positive“ einer re-poetisierung eines avantgarde-verstehens. womoeglich.

verschenkte geschenke :: dolfin und deix

angezogen von der wirklich sehr schoenen aufmachung haben wir letztes jahr verschenkt: belgische schokolade dolfin – gefunden in der salzburger confiserie „n. maria“ in der muenzgasse (naehe getreidegasse).
nicht nehmen haben wir uns lassen. den neuen „dicken deix“ nach koeln mitzunehmen – schliesslich sind sechs jahre deix hier nicht wirklich dauerhaft praesent gewesen – von den kleinen aus oesterreich importierten woechentlichen schnipsel abgesehen.

… deix woechentlich im kabarett netz
… weitere beispiele
… die welt des manfred deix im karikaturmuseum krems (mit wallpaper zum downloaden ;-))
… good vibration – eine ausstellung im kunsthaus wien, 2000
… die welt des manfred deix – ausstellung in der caricatura frankfurt (mit umfassendem webkatalog)
… die deix-page

camera austria :: essayreihe “politische raeume – bildraeume”

in der zeitschrift „camera austria“ startet tom holert eine vierteilige essayreihe. in der er die „raeume politischen handelns als bildraeume zu theoretisieren“ versucht.

… folge eins: massenmmedien-akte. ueber visuelle programmierungen des politischen raums

… anmerkung dazu: die transformation des publikums zu einem kennerschaftlichen kollektiv von mitwissern – man koennte hier einen vergleich zu benjamins publikumsbegriff ziehen (der rezipient als tester): “das publikum ist ein examinator. doch ein zerstreuter.” (benjamin: das kunstwerk im zeitalter seiner technischen reproduzierbarkeit. in: benjamin: medienaesthetische schriften. suhrkamp)

… s.a. boris groys :: der betrachter an sich

die gegenbewegung :: zur aufloesung des kanons

Heute ist die Gegenbewegung zur Auflösung des Kanons voll im Gang. Dass Harald Schmidt in seiner Show Klassiker mit Playmobil inszenierte oder Reclam-Heftchen ans Publikum verteilte, ist nicht nur Marotte eines alternden Spaßmoderators, sondern auch Symptom eines neuen Bedürfnisses nach dem Kanonischen. Marcel Reich-Ranicki hat dieses Jahr als Herausgeber seinen großen deutschen Literatur-Kanon abgeschlossen. Was die Medienspektakel angeht, kann man in Deutschland von 2004 als dem Jahr der Kanon-Shows sprechen: Von „Unsere Besten – die größten Deutschen“ und „Unsere Besten – das große Lesen“ im ZDF bis zu unzähligen 80er- und 90er-Retro-Shows im Privatfernsehen wurde abgestimmt, aufgelistet, kanonisiert. Dabei setzte die Wahl der „besten Deutschen“ (Bismarck unter den Top Ten) eine besondere Zäsur, denn sie zeigte, dass sich Restriktionen in Sachen deutscher Geschichtserinnerung gelockert haben und einer neuen Beweglichkeit weichen, die nicht immer gleich als Revisionismus verstanden werden kann.

Jenseits von Jedem (tagesspiegel, 29.12.04)

jelinek :: der song

man moechte so beginnen: oesterreicher verstehen nichts von hip-hop (was ganz allgemein nicht stimmt) – wenn man sich den „jelinek-song“ (mp3) von roger stein (wortfront records) anhoert – stimmt es fuer diesen speziellen fall. auch wenn wir ahnen. dass es sich dabei wohl um einen volkstuemliche „song“ mit groesst moeglicher breitenwirkung handeln mag.

auch wenn wir dafuerhalten wollen. dass der versuch. die massenmediale rezeption von jelinek seit der nobelpreisbekanntgabe zu kritisieren. durchaus gewollt ist. bleibt trotzdem das manko. dass der song nur wieder massenmediale techniken wiedergibt. aber auch nicht mehr.

wir wuerden sagen. das reicht nicht. um einen abstand zwischen medienrummel und kritik zu setzen. das bleibt am stammtisch haengen. da kann jeder mitschunkeln und -schummeln. der sich irgendwie so oder auch anders betroffen fuehlt.

wir wuerden folgern. da muss noch an der kritik gefeilt werden. zur oesterreichischen hymne reicht es freilich allemal.

… aus dem interview mit der krone:
Ich wollte mit dem Song weder das Werk noch die Person Elfriede Jelinek diskutieren, sondern deren nach dem Nobelpreis nun erst recht einsetzende Vermarktung – insbesondere durch die österreichische Kulturpolitik.

… der text des jelinek-songs